Behörden-Wahnsinn und Corona: Ist das Wirtesterben noch zu stoppen?

24. Juni
Wirtesterben

Robert Kalb / picturedesk.com

Das Wirtshaus als Ort des Zusammenkommens und der Geselligkeit verschwindet zusehends aus Städten und Gemeinden.

Jahrzehnte das zweite Wohnzimmer außer Haus, stehen viele Betriebe heute halb leer und fast verweist da. Andere finden keine Nachfolger.

Seit 40 Jahren gibt es einen Anstieg der Gastronomiebetriebe, fast 60.000 gibt es mittlerweile landesweit. Nur ein Segment davon, das hat sich halbiert: Das österreichische Wirtshaus. Von ehemals 16.000 Betrieben sind nur mehr 8.000 übrig. Gerade in ländlichen Gebieten müssen immer mehr Traditionsbetriebe für immer schließen. Personalmangel und hoher behördlicher Aufwand sind teilweise dafür verantwortlich.

Nach dem Rauchverbot 2019, das viele Gastronomen ans Aufhören denken ließ, kam 2020 Corona mit katastrophalen Lockdowns für die Gastronomie, der letzte sollte über ein halbes Jahr dauern. Die Servus Reportage zeigt gastronomische Traditionsunternehmen, sowohl vor der Covid-Krise, als auch danach, um zu sehen, ob sie diese Ausnahmesituation überleben konnten und die ca. 34 Miliarden Euro an gesamten Förderungen ausreichend waren, und ob bei ihnen nach den Öffnungen seit dem 19. Mai 2021 überhaupt weiter getrunken, gegessen und gesellig beieinander gesessen werden konnte.

"Fucking Gastro" - Buch über den Behörden-Wahnsinn

Wie im Gasthaus Josef, das der engagierte Wirt Günther Hager in der Linzer Innenstadt führt. Er ärgert sich vor allem über überbordende behördliche Auflagen und hat darüber sogar ein Buch geschrieben. In seinem Bestseller „Fucking Gastro“ rechnet er beinhart mit der Bürokratie ab. Corona hat seinem Betrieb hohe sechsstellige Verluste beschert, trotzdem konnte er seine 31 Mitarbeiter halten. Auch wenn er mit der Wirtschaftskammer sonst hart ins Gericht geht, ist er durchaus zufrieden mit den bei den Verhandlungen herausgeholten Unterstützungen für dir Branche.

Die hohen Zahlungen an die Systemgastronomie kann er dennoch nicht nachvollziehen. Der bürokratische Aufwand, um an diese zu gelangen, ist aber immer noch viel zu hoch. Um überhaupt an die Förderungen zu kommen, braucht es seiner Meinung nach, einen sehr guten Steuerberater. Diesen muss man sich als kleiner Wirt jedoch auch erst mal leisten können. „Wir wurden ins Wasser gestoßen, aber wir sind nur nass geworden und nicht untergegangen,“ so der Gastronom. 

Was läuft falsch?

Der Salzburger Franz Gensbichler führte die Gastwirtschaft “Triangel“ in der Mozartstadt, setzte auf regionale und hochqualitative Produkte, was auch Stars wie Anna Netrebko und Ben Becker zu schätzen wissen. Obgleich sein Lokal immer voll ist, sieht auch er, was falsch läuft in der Politik: Lohnnebenkosten, Auflagen und Allergenverordnung machen auch ihm das Leben schwer.

Mitten in der Pandemie geht Gensbichler schließlich in Pension und übergibt den Betrieb an seine Tochter Franziska. Die abgespeckten Festspiele im Sommer 2020 und die Unterstützungen ermöglichen dem Betrieb das Überleben. Dank ihrer Sonderstellung rund um die Festspiele, konnte das Lokal mit Kurzarbeit und Co. alle Mitarbeiter halten. Das freut den Familienbetrieb sehr, da man sich seinen Mitarbeitern fast familiär verbunden fühlt.

Aus Alt mach Neu

In Wien hat Markus Krapfenbauer 2018 einen alten Betrieb in ein modernes Wiener Wirtshaus, den „Hollerkoch“, umgestaltet. Das Konzept geht auf, das Geschäft floriert, trotzdem übergibt er ein Jahr später an seinen 22-jährigen Kompagnon Sayed Adel Sadat (als „Österreichischer Restaurant-Fachmann des Jahres 2017“ ausgezeichnet). Noch das Weihnachtsgeschäft 2019 bringt Rekordumsätze, doch dann kommt Corona mit dem ersten Lockdown, aber bereits im Sommer 2020 kommen die Gäste zahlreich zurück.

Doch schon im November können er und sein junges Team nur mehr auf Sparflamme arbeiten, der Jahresverlust beträgt (nach Förderungen)  40.000 Euro. Trotzdem: Mit staatlichen Unterstützungen und erhöhter Eigenleistung hat er den Betrieb durch die Krise gebracht und ist ab dem 19. Mai ausgebucht. Dennoch: Der Lockdown war besonders für die Mitarbeiter eine harte Probe. Täglich fürchteten sie sich, ob ihr Arbeitsplatz erhalten bleibt und wenn nicht: was dann? Denn mehr Arbeitsplätze kann es nach der Krise nicht geben.

Schwerer Kampf im Lockdown

Die Grazerin Silvija Kasper betreibt seit zehn Jahren das Wirtshaus „Liebenauer Hof“, unweit des Grazer Stadions. Sie hatte im Lockdown schwer zu kämpfen: Sie musste Koch und Küchenhilfen kündigen und stand alleine in der Küche, um die wenigen Take-Away-Bestellungen zu bedienen, die täglich abgeholt wurden. Im ersten Lockdown hat Silvija Kasper 500 Euro aus dem Härtfallfond plus 500 Euro als Comebackbonus bekommen, im zweiten Lockdown dann 15 % Umsatzersatz - viel zu wenig, um damit alle Rechnungen zu bezahlen.

Und auch jetzt, nach der Öffnung am 19. Mai 2021, ist die Wirtin höchst unzufrieden und bangt um ihre Existenz. Die begleitenden Maßnahmen wie Eintrittstests und Zettelwirtschaft sind für Ihre Kunden unzumutbar und hindern sie daran, ihr Lokal zu besuchen. Sie sieht die Maßnahmen als reine Schikane. „Von meinen Stammgästen sind viele über 70 Jahre alt. Da geht das mit dem Testen nicht so einfach. Die wollen spontan auf ein Bier vorbeikommen. Und dass ich einen 10er Tisch aus dem Gastgarten, wenn es zu regnen beginnt, drinnen dann auf drei Tische setzen muss, ist auch absolut hirnrissig,“ so die Wirtin.

Servus Reportage zum Thema „Wirtesterben – Sperrstunde für eine Tradition“, am Donnerstag, 24. Juni um 21:10 Uhr bei ServusTV.

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