Kurz erwartet neue Corona-Welle und ruft zu Impfung auf

12. Juli
Kurz erwartet neue Corona-Welle

Georges Schneider / picturedesk.com

Bundeskanzler Sebastian Kurz appelliert mit drastischen Worten an alle Bürger, sich gegen das Coronavirus impfen zu lassen.

Die Infektionszahlen werden auch in Österreich bald wieder steigen, sagt Bundeskanzler Kurz. "Das Virus wird nicht verschwinden, es wird bleiben. Es wird uns noch Jahre beschäftigen", so Kurz. Er macht zugleich bekannt, dass er vor wenigen Tagen seine zweite Astrazeneca-Impfdosis erhalten hat.

"Für jeden, der geimpft ist, ist die Pandemie vorbei. Für jeden, der nicht geimpft ist, ist das Virus ein massives Problem", warnt der Kanzler im Gespräch mit Journalisten. Ein Anstieg der Ansteckungszahlen wie jüngst in Südeuropa oder den Niederlanden "wird auch bei uns stattfinden", sagt er. Nach eineinhalb Jahren Erfahrung mit dem Coronavirus wisse man nämlich: "Diese Pandemie kommt in Wellen."

Kurz: "Impfung als Gamechanger"

Im Vergleich zu den früheren Wellen gebe es nun aber die Impfung als "Gamechanger", sagt Kurz. Diese schütze auch gegen alle bisherigen Varianten einschließlich der Delta-Variante. Er selbst stelle dabei "jeden Tag" die Frage, ob es eine Mutation gebe, die von der Impfung nicht abgedeckt sei, versicherte er.

Kurz hatte erst kürzlich die Eigenverantwortung im Umgang mit der Pandemie betont. Nun machte er klar, dass die Bundesregierung ein Interesse an möglichst vielen geimpften Menschen in Österreich habe. So versuche man mit den Bundesländern "ein ganz niederschwelliges Angebot zu schaffen", um etwa auch Personen zu erreichen, die sich ohne Anmeldung impfen lassen wollen. Auch Kooperationen mit Vereinen wie der Freiwilligen Feuerwehr seien geplant.

"Bisher darauf gesetzt, die zu impfen, die das wollen"

An finanzielle Anreize für Impfungen denkt Kurz offenbar nicht. "Wir haben bisher darauf gesetzt, die zu impfen, die das wollen", beantwortet der Kanzler eine entsprechende Frage der APA. Wenn die Ansteckungszahlen wieder steigen, gehe er davon aus, dass das Impfangebot auch von jenen Menschen angenommen werde, die bisher die Hoffnung hatten, dass das Virus "verschwindet".

Kurz betont zugleich, dass es von der türkis-grünen Regierung "ein klares Commitment zum Präsenzunterricht" im Herbst gebe. Bildungsminister Heinz Faßmann habe diesbezüglich schon "ein gutes Konzept ausgearbeitet, das im Detail im August präsentiert wird". Der Kanzler ließ durchblicken, dass dieses Konzept auf Testungen beruhen könnte.

Kurz verteidigt Öffnungsschritte

Kurz tritt zugleich Kritik entgegen, wonach die Öffnungsschritte zu weit gehen. "Wir haben ein stärkeres Sicherheitsnetz als andere Länder", sagte er mit Blick auf die hohe Testintensität und die 3G-Regel. Außerdem habe jeder Mensch die Möglichkeit, über die geltenden Vorschriften hinaus zu gehen und sich zu schützen. "Ich bin doppelt geimpft und lasse mich trotzdem testen", so der Kanzler. Wie aus dem Bundeskanzleramt verlautete, erhielt der 34-Jährige vor wenigen Tagen die zweite Dosis des Astrazeneca-Impfstoffes. Die erste Spritze hatte er Anfang Juni bekommen.

Skeptisch äußerte sich Kurz auch auf die Frage nach möglichen neuen Grenzschließungen. "Das Virus macht vor Grenzen keinen Halt", sagte er. Zwar seien "gewisse Grenzmaßnahmen" sinnvoll gewesen, "aber aufhalten konnte das Virus niemand", sagte er unter Verweis darauf, dass sich etwa die Delta-Variante trotz Einreisebeschränkungen über Europa ausgebreitet habe. Zugleich plädierte Kurz für einen "klaren Blick auf das Wesentliche" in der Pandemie. "Wir wollten immer eine Überforderung der Spitäler verhindern, und das muss weiter das Ziel sein", sagte er.

Kritik der Opposition

SPÖ-Gesundheitssprecher Philip Kucher sieht eine "Kaltschnäuzigkeit" des Kanzlers. Offenbar wolle sich Kurz von jeder Verantwortung im Zusammenhang mit dem Pandemie-Management verabschieden: "Wenn er die Pandemie jetzt zur Privatsache erklärt, überlässt er alle, die sich nicht impfen lassen können - Kinder unter 12 Jahren und Menschen, die sich aus Gesundheitsgründen nicht impfen dürfen - der Pandemie."

Umweltmediziner Hutter für "einfache, kleinere Maßnahmen"

Umweltmediziner Hans-Peter Hutter plädierte indes im Ö1-"Mittagsjournal" angesprochen auf die jüngsten Aussagen von Kurz für weiterhin "einfache, kleinere Maßnahmen" über den Sommer. Das sei besser "als tatsächlich wieder größere Bewegungseinschränkungen hin in den Herbst hinein". Man dürfe nicht vergessen, "es sind noch viele nicht geimpft und einige werden auch nicht impfen gehen, beiziehungsweise einige können auch gar nicht geimpft werden, sodass man sich nur auf das Impfen stützt, aus meiner Sicht wirklich zu wenig ist", sagt der Forscher vom Zentrum für Public Health der MedUni Wien.

Hutter betonte die Wichtigkeit von Verordnungen und verwies auf die 3G-Regeln und neben Schulen sowie Spitälern auf "viele Innenraumsituationen, die nach wie vor Achtsamkeit benötigen". Es sei "sicherlich an der Zeit, dass man natürlich Lockerungen durchführt". Auf der anderen Seite sei "alles viel zu schnell gegangen" und es brauche "nach wie vor doch auch seitens unserer Regierung gewisse Rahmenbedingungen, die vorgegeben werden", warnt er. (APA/Red.)

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