Historische gemeinsame Schulden: EU-Gipfel einigte sich auf Aufbaufonds von 750 Milliarden Euro

21. Juli
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FRANCISCO SECO / AFP / picturedesk.com

Die Staats- und Regierungschefs der EU-Mitglieder einigten sich in der Nacht auf Dienstag auf ein historisches Paket zur Bewältigung der Corona-Krise.

Der mit Schulden finanzierte Aufbaufonds "Next Generation EU" ist 750 Milliarden Euro schwer. Das Volumen der Zuschüsse beträgt 390 Milliarden Euro. 360 Milliarden Euro sind als Kredite vorgesehen. Über das Verhältnis von Volumen und Krediten wurde lange gestritten.

"Sparsame Vier" setzten Reduzierung durch

Die "Sparsamen Vier" sind mittlerweile fünf Länder - Österreich, die Niederlande, Dänemark, Schweden und Finnland. Sie setzten eine Absenkung der nicht rückzahlbaren Zuschüsse durch. Ursprünglich waren 500 Milliarden Euro von der EU-Kommission, Deutschland und Frankreich vorgeschlagen worden. Für den Aufbaufonds nimmt die EU ab 2021 gemeinsam Schulden auf. Diese sollen bis 2058 getilgt sein.

Österreich muss für den Zeitraum Haftungen in der Höhe von geschätzten 10,53 Milliarden Euro übernehmen. Größte Empfänger werden laut Diplomaten Italien, Spanien und Frankreich sein. Österreich kann mit 3,7 Milliarden Euro rechnen.

Kurz: "kein Einstieg in eine Schulden-Union"

Bundeskanzler Sebastian Kurz begrüßte das Ergebnis des EU-Finanzgipfels zum EU-Budget und zum Aufbaufonds. "Ich bin mittlerweile etwas müde, aber inhaltlich sehr zufrieden", sagte der Kanzler am frühen Dienstagmorgen in Brüssel. "Wir haben ein gutes Ergebnis erreicht für die Europäische Union. Und wir haben ein gutes Ergebnis erreicht für die Republik Österreich."

Durch den starken Zusammenhalt der "Sparsamen Vier" sei es auch gelungen, viele inhaltlich wichtige Punkte durchzusetzen. Als Beispiele nannte Kurz die Redimensionierung des EU-Budgets im Vergleich zum Erstentwurf, die Investitionen in Zukunftsinvestitionen. Zufrieden zeigte er sich auch mit der zeitlichen Befristung beim Recovery Fund, "dass es ein einmaliges Instrument ist und kein Einstieg in eine Vergemeinschaftlichung der Schulden oder eine Schuldenunion." Die Höhe der Zuschüsse sei von den angedachten 500 Milliarden Euro auf 390 Milliarden Euro reduziert worden.

"Und es wird sichergestellt, dass die Mittelverwendung auch wirklich genau kontrolliert wird durch einen sehr, sehr strengen Kontrollmechanismus", so Kurz. Bei Verdacht der nicht zweckkonformen Verwendung könne die Auszahlung gestoppt werden. Es habe einen Kompromiss bei der Rechtsstaatlichkeit gegeben. "Alles in allem ein Paket, mit dem wir in Österreich sehr zufrieden sein können", fasst der Bundeskanzler zusammen.

Karas und Schieder kündigen harte Verhandlungen des Parlaments an

Die beiden führenden Europaabgeordneten Othmar Karas (ÖVP) und Andreas Schieder (SPÖ) zeigten sich enttäuscht vom Ergebnis des EU-Finanzgipfels. Sie kündigten in ersten Reaktionen harte Verhandlungen des Europaparlaments an. Es muss dem 1,8 Billionen Euro schweren Paket noch zustimmen.

"Von den Staats- und Regierungschefs habe ich mir mehr erhofft: Zukunftsinvestitionen in Forschung, Bildung und Sicherheit werden gekürzt, der Rechtsstaatlichkeitsmechanismus verwässert", schrieb der Vizepräsident des Europaparlaments auf Twitter. "Verhandlungen mit dem EU-Parlament, auch über die parlamentarische Kontrolle, werden herausfordernd."

Noch schärfer äußerte sich Schieder. "Das reicht einfach nicht!", meint der SPÖ-Europaabgeordnete in einer Aussendung. "Das EU-Parlament wird die Gipfeleinigung jetzt so schnell wie möglich in einer außerordentlichen Sitzung bewerten. Auch wir haben Bedingungen, vor allem mit Blick auf neue EU-Eigenmittel und klare Rechtsstaatskriterien", betonte er. (APA/Red.)

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