Coronavirus in Wien: Wenn die Großstadt zur Geisterstadt wird

31. März
Downtown, City, Urban

Es beginnt schon auf dem Weg in die Innenstadt. Zur Sicherheit nimmt man in diesen Tagen das Auto statt der Bim. An einem normalen Montagabend wäre der Verkehr zwar schon etwas ruhiger als zur Rush Hour, dennoch würde man sich mit dem PKW eher in Schrittgeschwindigkeit bewegen.

Dieser Tage gestaltet sich das Ganze doch deutlich anders. Das einzige, was einen ab und an zum Halten zwingt, ist hie und da eine rote Ampel. Auch das Parkplatzsuchen gestaltet sich so einfach, wie noch nie: Kurz gesagt, freie Platzwahl – jeder Wiener weiß, dass das schon eigenartig genug ist.

Gähnende Leere statt wildem Getümmel

Spaziert man dann über den Hof in Richtung Graben, wo sich normalerweise die Touristen und die Einkaufswütigen nur so durch die Gassen schieben, wird es erst richtig ungewohnt. Es bietet sich ein Anblick, den selbst eingefleischte Alt-Wiener nicht kennen: Die sonst auch abends so belebten Straßen der Innenstadt präsentieren sich menschenleer. Auf der einen Seite wirkt es irgendwie friedlich, auf der anderen Seite aber doch gespenstisch. Spätestens dann, wenn man die Pestsäule erreicht.

Das Denkmal, das an die Pestepidemie von 1679 erinnert, ist umringt von Grabkerzen. Vereinzelte Zeichnungen und Gebete zieren das Geländer, dass eigentlich davon abhalten soll, das Denkmal zu betreten.

Mehr Polizisten als Fußgänger

Ihr Übriges zur Stimmung tragen freilich auch die Polizeistreifen bei, die etwa im Minutentakt an einem vorbeifahren. Und obwohl die Beamten einen maximal kurz mustern, vermittelt das ganze Geschehen (bzw. eben das Fehlen des Geschehens) doch ein mulmiges Gefühl.

Auch der Stephansplatz, der sich rund um das wohl markanteste Wiener Wahrzeichen erstreckt, präsentiert sich an diesem Abend ungewohnt leer. Keine Spur von den gestressten Wienern, die versuchen, sich auf dem Weg zur U-Bahn durch die Touristenmassen zu zwängen.

Irgendwie weiß man als Bewohner dieser sonst so schnelllebigen Stadt gar nicht so recht mit dieser Ruhe umzugehen. Zumindest schlägt das Wiener-Herz manchmal noch höher, wenn sich zum Beispiel das vorbeispazierende Pärchen über die „Wappler, die’s no immer net verstanden ham“ aufregt.

Keine Hoffnung auf baldige Normalität

Es sind Bilder, die uns wohl noch eine Zeit begleiten werden. Bundeskanzler Sebastian Kurz und Vizekanzler Werner Kogler zerschlugen am Montag auf einer der schon so alltäglich gewordenen Pressekonferenz alle Hoffnungen auf ein baldiges Ende der Maßnahmen. Im Gegenteil: In Zukunft wird sich zu den ohnehin schon ungewohnten Bildern noch jenes der Menschen mit einem Mund-Nasen-Schutz gesellen.

Vielleicht sollten wir aber eben diese Bilder auch nach der ersehnten Rückkehr zum Normalzustand nicht vergessen. Es könnten die Bilder sein, die den grantigen Wiener, der sich durch die Touristen drängt und dabei in seinen Bart schimpft, daran erinnern, wie schön genau das sein kann.

Text: Franz Verworner

Empfohlene Videos