„Ich glaube weder an die neue Normalität noch daran, dass alles wird, wie es war“

25. Juni
Person, Human, Sitting

Download von www.picturedesk.com am 16.06.2020 (15:22).
PK: DIGITAL SPRING – MEDIA ART FESTIVAL FOTO: NEUMAYR/MMV 4.3.2016 Filmemacher David Groß – 20160304_PD5848 – Rechteinfo: Rights Managed (RM)

Seit Monaten ist das Coronavirus neuer Begleiter der Menschen, auch die österreichische Bevölkerung ist von den Folgen der weltweiten Pandemie nicht verschont geblieben. Wie hat sich diese Ausnahmesituation auf die Österreicherinnen und Österreicher ausgewirkt?

Abstand halten, das Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes, regelmäßiges Desinfizieren oder die Sperrstunde im Stammlokal um spätestens 23 Uhr: Das Coronavirus hat Einfluss auf annähernd jeden Lebensbereich der Menschen genommen. Und auch wenn viele der Maßnahmen inzwischen wieder der Vergangenheit angehören, von der "alten Normalität" sind wir immer noch weit entfernt. Das hat auch der Salzburger Filmemacher David Groß beobachtet.

In der zweiteiligen Servus Reportage "Mit Abstand nah dran" beleuchtet er die sogenannte "neue Normalität" und ihre Auswirkungen. Im Interview gibt der Salzburger einen Einblick, welche teils skurrilen Beobachtungen er gemacht hat.

servustv.com: Gibt es wirklich eine „neue Normalität“, mit der wir zu leben lernen müssen, oder wird nach Corona wieder die „alte Normalität“ einkehren?

David Groß: Ich glaube weder an die „neue Normalität“ noch daran, dass alles so wird, wie es einmal war. Im Wiener Prater hat ein Schausteller im Interview zu uns gesagt: „So wie es einmal war, wird es nie wieder.“ Die Dinge verändern sich immer schneller, nicht erst seit Corona. Ich hoffe, dass es wieder eine Normalität gibt, in der wir gerne leben. Eine Corona-Lektion ist auf jeden Fall, dass sich die Dinge über Nacht schlagartig ändern können. Jede Prognose ist mit Vorsicht zu genießen.

Welche Rolle spielt das Alter im Umgang mit der Pandemie und dem daraus resultierenden Lockdown?

Grundsätzlich finde ich es positiv, dass ältere Menschen stärker in den Blickpunkt rücken. Der Respekt vor dem Alter ist wichtig. Allerdings will sich die ältere Generation auch nicht bevormunden lassen. Das zeigt sich in der Corona-Krise ganz deutlich. Wir haben am Wiener Zentralfriedhof ein älteres Paar gefragt, was sie davon halten, dass man ältere Menschen sozusagen wegsperren will, um sie zu schützen. Die Antwort: „Wir lassen uns nicht wegsperren!“ Mit ihren Nordic Walking Sticks können sie die Abstandsregeln spielend einhalten.

Wie unterschiedlich wurden die letzten Monate in der Stadt und auf dem Land wahrgenommen?

Am Land, so mein subjektiver Eindruck, geht man etwas entspannter mit den Dingen um. Vor allem in den Regionen, wo es praktisch keine Covid-19 Fälle gegeben hat, wie z.B. in St. Corona am Wechsel in Niederösterreich. Der Ort ist durch die Namensgleichheit mit dem Virus quasi berühmt geworden. Es hat keinen einzigen Fall in St. Corona gegeben und die Leute meinen, das könnte mit der heiligen Corona zusammenhängen, die ja auch vor Seuchen schützen soll. 

Sind die Menschen noch bereit, die Maßnahmen mitzutragen, oder ist das Verständnis inzwischen aufgebraucht?

Meine Wahrnehmung ist, dass die Menschen die Maßnahmen zum überwältigenden Teil geduldig mitgetragen haben, bis zu einem gewissen Punkt, der jetzt schon länger überschritten ist. An die Maske will man sich dann doch nicht dauerhaft gewöhnen. Das Bedürfnis nach Befreiung ist groß, das haben wir im Freibad genauso beobachtet wie auf der Theaterbühne. Es bleibt zu hoffen, dass die Menschen verantwortungsvoll mit der zurückgewonnenen Freiheit umgehen. Am Donaukanal in Wien wird schon gefeiert, was das Zeug hält. Das ist nur allzu verständlich, die Leute wollen das Leben genießen. Bleibt zu wünschen, dass auch hier die heilige Corona ihre schützende Hand über die Feiernden hält und es kein böses Erwachen gibt, Stichwort zweite Welle.

Wird die Corona-Pandemie wirklich eine nachhaltige Veränderung mit sich bringen? Etwa in Bezug auf Umwelt, Mobilität, Hygiene, etc.

An dieser Frage scheiden sich die Geister. Das wird zum Beispiel in unserer Reportage in einem Weinhaus in Wien-Simmering diskutiert. Während der eine Gast meint, es würde sich nun alles verändern, positiv in Richtung Nachhaltigkeit, meint sein Gegenüber: „Es wird alles beim Alten bleiben, die Leute werden wieder billig fliegen und die Vorsätze betreffend Regionalität werden sich in Luft auflösen!“ Natürlich hoffe ich persönlich, dass wir etwas Positives aus der Krise mitnehmen können. Zum Beispiel, dass uns Humor helfen kann, Krisensituationen zu bewältigen. Und dass auf einander zugehen und  einander zuhören in Zeiten, wo viel polarisiert wird, wichtiger ist denn je. Im Übrigen finde ich, dass wir das regelmäßige Händewaschen beibehalten sollten.

Interview: Franz Verworner / ServusTV

Groß im Alltag in zwei Teilen

In der ersten Folge ist David Groß bei Unternehmern und Gastronomen, bei Sportlern und Künstlern, bei Menschen, die über ihre Erfahrungen reden wollen. Er geht in den Vergnügungspark, ins Dorfwirtshaus und Freibad, in die Stadt und aufs Land. Immer nah dran, trotz Abstandsregeln.

In der zweiten Folge macht sich David Groß auf die Suche nach dem "Sommer mit Abstand".  Ein Sommer mit weniger Touristen, dafür mit mehr Menschen, die daheim urlauben. Sozusagen Ferien auf den "Dahamas" oder "Balkonien". Groß mischt sich unter die Leut‘, an bekannten Tourismusorten, am Campingplatz und überall dort, wo die Menschen trotz Abstand nah dran sein wollen. Sieht so die neue Normalität aus, blüht uns ein Sommer mit Abstand?

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