Ski alpin: ÖSV sucht nach der Riesentorlauf-„Wunderlampe“

19. Okt.
SOELDEN,AUSTRIA,18.OCT.20 - ALPINE SKIING - FIS World Cup season opening, Rettenbachferner, giant slalom, men. Image shows Stefan Brennsteiner (AUT). Photo: GEPA pictures/ Christian Walgram

Foto: GEPA Pictures / Christian Walgram

Die Bilanz des ÖSV als organisatorischer Wächter über den Weltcup-Auftakt in Sölden ist positiv. Doch sportlich herrscht nach zwei unerwartet deftigen Niederlagen Katerstimmung. Der Riesentorlauf ist eine Mega-Baustelle, doch das ist nicht erst seit Sonntag klar. Auch das neue Trainer-Team um Michael Pircher könne "kein Wunder vollbringen", stellte Herren-Chef Andreas Puelacher fest. So bleiben nur die Schlagworte Hoffnung und harte Arbeit.

Stefan Brennsteiner als bester ÖSV-Läufer 17., bei den Damen schauten am Samstag die Plätze 15, 17 und 19 durch Katharina Truppe, Stephanie Brunner und Ramona Siebenhofer heraus. Das Sölden-Wochenende war ein Griff ins Leere, der besonders schmerzt. "Man muss den Tatsachen ins Auge schauen. Wir sind im Riesen zurzeit nicht dabei. Die Konkurrenz ist einfach besser als wir", brachte es Herren-Rennsportleiter Andreas Puelacher auf den Punkt.

ÖSV-Läufer im Riesenslalom nicht dabei

"Wir werden uns mit kleinen Teilerfolgen begnügen müssen", umriss wiederum Gruppentrainer Pircher die Situation, die in den nächsten Monaten wartet. Wer das Festhalten der Verantwortlichen an der Zwischenzeit von Roland Leitinger hörte, der im ersten Durchgang vor seinem Ausfall vor dem späteren Zweiten Marco Odermatt lag, erkannte, wie klein die zu backenden Brötchen im Riesentorlauf derzeit sind.

"Leitinger war schnell am Weg, Brennsteiner wollte natürlich heute Punkte machen, ist aber relativ gut gefahren", ließ ÖSV-Präsident Peter Schröcksnadel Milde walten. "Ich bin sicher, dass sie schnell fahren können. Das haben sie ganz oben gezeigt. Sie haben es halt nicht heruntergebracht. Aber ich bin sicher, dass sie es können." Eine zarte Hoffnung ist Manuel Feller, der Sölden wegen seiner Rückenprobleme ausließ, die während des Lockdowns wieder verstärkt aufgetreten waren. Gleiches gilt für Marco Schwarz, für den der Saisonstart nach einem komplett verhauten Lauf (39.) zur Halbzeit gegessen war.

Erfolge von Hirscher überstrahlten vieles

Grundsätzlich ist klar, dass Marcel Hirscher viel zugedeckt und die mediale Aufmerksamkeit von den Schattenseiten seiner Erfolge weggelenkt haben. Von 2010 bis 2019, als der Ausnahme-Skifahrer aus Salzburg im Weltcup etabliert war, gab es rein auf Weltcup-Ebene nur einen weiteren ÖSV-Sieg (Philipp Schörghofer 2011 in Hinterstoder) und gut ein Dutzend weitere Podestplätze.

Der seit dem Abschied von Hans Pum als Sportchef amtierende Anton Giger hat das Problem erkannt und ein neues Trainer-Team installiert. Mit dabei sind der frühere Hirscher-Coach Pircher und Hirschers Vater Ferdinand als erhoffte Garanten für Erfolg. Beide werden jedoch Zeit brauchen, weil ihr Ansatz in grundlegenden Bereichen ansetzt - nämlich bei der Schwungtechnik.

Dass das Spezialistentum im alpinen Skisport immer mehr fortschreitet, ist Fakt. Gesamtweltcup-Sieger Aleksander Aamodt Kilde und Alexis Pinturault haben es aber trotzdem hinbekommen, in drei Disziplinen Top-Resultate abzuliefern. Dem Schweizer Odermatt und Kildes Landsmann Lucas Braathen ist das in Zukunft auch zuzutrauen. Und bei Braathen taucht unweigerlich sofort die Frage auf, wie es die vergleichsweise bescheidene Alpin-Sektion des norwegischen Skiverbands im Gegensatz zur ÖSV-Maschinerie schafft, gefühlt alle fünf Jahre ein Mega-Talent aus dem Hut zu zaubern.

Zu wenig interne Konkurrenz beim ÖSV?

Diskussions-Ansätze gibt es viele. Hinter vorgehaltener Hand raunen frühere ÖSV-Läufer, dass den Österreichern die interne Konkurrenz abgehe. Zu Zeiten von Hermann Maier, Stephan Eberharter & Co. habe man im Training schon gewusst, wo man im internationalen Vergleich stehe, weil die Leistungsdichte im Kader damals so hoch gewesen sei. "Dadurch bist Du viel eher das Rennfahren gewohnt. Und dann schreckt es Dich auch nicht", sagt ein Ex-Aktiver. Heute dagegen seien die Athleten in den Rennen dann überrascht, weil sie zuvor im Training in Kleingruppen nicht voll gefordert würden.

Dem müsste man aber entgegenhalten, dass sehr wohl Zeitläufe gegen Sportler aus anderen Nationen gefahren werden. "Die Trainings-Leistungen waren im Vergleich mit der internationalen Konkurrenz eigentlich o.k. Darum haben wir uns auch mehr erwartet", verwies Puelacher in Sölden etwa darauf, dass man etwa mit den Norwegern und dem Slowenen Zan Kranjec geübt habe. Zudem verstärken auch immer wieder Läufer aus der Technik-Gruppe von Marko Pfeifer - wie Schwarz und Feller - oder die Speed-Akteure Matthias Mayer und Vincent Kriechmayr die RTL-Kerntruppe.

Unmittelbar bleibt für die rot-weiß-roten Riesentorlauf-Aspiranten nur die Gewissheit, dass der Weg noch ein langer ist. "Ich werde trotzdem hart an mir weiter arbeiten", versprach Brennsteiner. "Wenn man jedes Mal um eine Sekunde schneller runterfährt, ist man zwei Sekunden schneller. Und dann fehlt nicht mehr viel. Das geht aber nur über Vertrauen, wenn ich mehrere Rennen ins Ziel gefahren bin." 1,98 Sekunden fehlten Brennsteiner am Sonntag auf Neo-Sieger Braathen. (APA/red.)

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