Die Antonitsch-Analyse: „Thiem bringt die Power auf den Boden“

2. Mai
Person, Human, Clothing

WOERSCHACH,AUSTRIA,16.JUL.18 – TENNIS – Adidas Club Challenge, Dominic Thiem vs Stefano Tsitsipas. Image shows Alexander Antonitsch. Photo: GEPA pictures/ Christian Walgram

Ex-Profi, ServusTV-Experte und tennisnet.com-Herausgeber Alex Antonitsch über die absolvierte Startphase der Sandplatz-Saison 2019 - und was Dominic Thiem und dessen Schläge auf dem erklärten Lieblingsbelag so alles anrichten können.

Welches Fazit ziehst du nach den ersten Stationen des Sandplatzfrühlings?

Alex Antonitsch: Dass sich sehr viele, auch sehr gute Spieler mit der Umstellung sehr schwer getan haben. Selbst solche, die auf Sand aufgewachsen sind. Viele haben bei den ersten Matches auffällig flach gespielt und noch nicht zum nötigen Drall und Winkel gefunden. Jene, die bereits vor Monte Carlo auf Sand gewechselt sind, waren da doch schon fitter. Zum Beispiel ein Guido Pella, der inklusive Barcelona schon sechs Turnierstarts Sand inklusive Cordoba-Finale und Sao-Paulo-Titel am Konto hatte. Oder der junge Chilene Christian Garin, der nach dem Davis-cup-Sieg auf Sand gegen uns in Buenos Aires das Finale und in Houston seinen ersten vollen Erfolg auf der ATP-Tour erreichen konnte.

Wer hat dich bisher am meisten überrascht?

Überrascht hat mich natürlich Monte-Carlo-Sieger Fabio Fognini, der seit langem eine ganze Woche auf Topniveau durchgespielt hat. Bei den acht Turnieren davor hat er durchwegs früh und gegen schlechter gereihte Gegner verloren. Und ebenfalls nicht gerechnet habe ich damit, dass Zweimeter-Mann Daniil Medvedev in Monte Carlo das Semifinale und zuletzt in Barcelona gar das Endspiel erreicht. Davor stand seine Sand-Bilanz bei mageren zwei Siegen zu elf Niederlagen.

Gemeinsamer Aufschlag auf der ATP World Tour:
ServusTV und Sky kooperieren zu insgesamt 15 Spielen der ATP-Tour. ServusTV ist exklusiver FreeTV-Broadcaster in Österreich. Der Fokus wird dabei auf den Matches von Dominic Thiem liegen. ServusTV wird ausgewählte Top-Spiele des österreichischen Tennis-Stars live und exklusiv im österreichischen Free-TV sowie im Livestream auf servustv.com übertragen und rechtzeitig vor der jeweiligen Übertragung informieren - so auch in Madrid!

In Barcelona war er aber gegen Dominic Thiem nach starkem Beginn letztlich chancenlos. Wie beurteilst du die katalanischen Festspiele von Österreichs Nummer 1?

Beeindruckend. Genau einen Monat vor dem Beginn von Paris hat er am Finaltag von Barcelona körperlich enorm fit und wenig gewirkt. Er bringt seine Power auf den Boden und ist blitzschnell im Erkennen von Chancen. Dazu war er in Barcelona enorm diszipliniert. Nicht nur was die Körpersprache betrifft, sondern auch in der Abstimmung seines Spiel auf die Gegner.

Bitte um Beispiele.

Im Semifinale hat er sich von Rafa Nadal nie zurückdrängen lassen, sondern bei jeder Gelegenheit selbst die Initiative ergriffen. Den langen Medvedev wiederum hat er klug mit Serien von tiefen Slices mürbe gemacht. Großartig auch Dominics hohes Percentage an ersten Aufschlagen! Dabei ist er oft mit 70 Prozent Power ausgekommen, hat aber dazwischen immer wieder angedeutet, dass es notfalls auch mit 220 km/h geht. Die Basis für den Erfolg sind aber ungebrochen die auf Sand zurzeit effektivsten Schläge der Welt Marke „Bresnik“.

Die haben auch den Unterschied gegen durchwegs starke Gegner ausgemacht.

Absolut. In Barcelona hat er mit Munar, Schwartzmann, Nadal und Medvedev hintereinander lauter Leute geschlagen, die ihm auch in Woche zwei von Paris blühen könnten. Das hat doch eine höhere Wertigkeit, als wenn du auf Sand beispielsweise einen amerikanischen Hartplatzspezialisten schlägst.

Was macht Tennis auf Sand eigentlich so speziell?

Viele Faktoren, etwa, dass du stark von der Witterung abhängig bist. Es gibt keinen anderen Belag, der sich jeden Tag völlig anders anfühlen kann. Und das Wetter war speziell heuer praktisch überall mit Wind, Kälte und Regen durchwachsen. Bei Nässe ist zwar der Platz oft noch immer problemlos bespielbar, aber die Bälle werden feucht, gehen auf und fliegen dadurch ungewohnt langsam. Viele Spieler sind es aber durch die häufigeren Einsätze am Hartplatz gewohnt, den Ball früh nehmen zu können. Das veränderte Timing macht dann Probleme. Andererseits kann Paris mit seinen, zu einem Gutteil mit durch Wasser verdichtetem Kalk aufgebauten und deshalb häufig beinharten Courts bei zwei Wochen Hitze eins der schnellsten Turniere überhaupt sein.

Und in wie weit muss man die Spielweise umstellen?

Du musst bereit sein, längere Ballwechsel zu gehen, um den Gegner auszuspielen. Um dabei gleichzeitig druckvoll und sicher zu schlagen, ist mehr Topspin, extremeres Winkelspiel und eine höhere Flugbahn gefragt. Beides bringt mehr Belastung für den Körper. Genau wie die längeren Laufwege und viel abrupte Richtungsänderungen. Aber auch Varianten wie ein tiefer Slice oder ein überraschender Stoppball sind gefragt - um diese wirklich giftig anzubringen, braucht es aber Selbstvertrauen. Und das gewinnst du nur aus vielen Matches und vielen Siegen.

An beidem könnte es zuletzt Novak Djokovic, Nummer 1 der Welt, gemangelt haben. Bei seiner heurigen Sandpremier in Monte Carlo ist er im Viertelfinale nicht nur an der Leistung von Daniil Medvedev sondern auch an der eigenen, höchst wackeligen Performance gescheitert.

Nun, der beginnt auf Sand des öfteren eher langsam. Unmittelbar vor Monte Carlo war er noch auf Urlaub. Mir ist vor allem sein hohes Erregungspotenzial aufgefallen. Er hat sich praktisch über alles aufgeregt, schien nie wirklich gelassen. Aber wahrscheinlich denkt er sich in Wahrheit eh, ich gewinne lieber dann in Paris als jetzt in Monte Carlo …

Und „Sandkönig“ Rafael Nadal, der im Barcelona-Semifinale gegen Dominic Thiem phasenweise chancen- und ratlos gewirkt hat?

Bei ihm muss man weiter die Fitness genau beobachten. Wenn das Werkl wieder zu 100 Prozent rennt, ist natürlich immer mit ihm zu rechnen. Aber auch bei ihm sieht man, wie wichtig viele Matches auf Sand sind. Etwa um beim Wegspielen der Bälle, also beim Verwerten der Chancen ausreichend Selbstvertrauen zu haben. Nicht umsonst spielt Rafa als bester Sandplatz-Crack aller Zeiten Jahr für Jahr praktisch alle großen Turnier vor Paris. Aber Barcelona hat schon gezeigt, dass er wieder auf dem richtigen Weg ist. Seine Niederlage gegen Thiem hat er als seine bis dahin beste Sandplatzpartie heuer bezeichnet.

Roger Federer hingegen beginnt seine Kampagne erst in Madrid.

Die Höhenlage dort macht das Spiel schneller, was für ihn natürlich ideal ist. Roland Garros liegt allerdings tiefer und es geht zwei Wochen lang über drei Gewinnsätze. Jetzt bin ich wahrscheinlich der Allerletzte, der „Maestro“ abschreibt, aber sollte er tatsächlich nach 2009 noch einmal Paris gewinnen, dann wäre das wohl die größte Tennissensation der letzten Jahrzehnte.

Völlig von der Rolle schien zuletzt Deutschlands Topstar Sascha Zverev. sowohl in Marrakesch wie auch in Monte Carlo schied er in Runde 2 aus. Was hat’s da?

Schwer zu sagen, aber zuletzt hat er sich von seinem langjährigen Manager Patricio Apey getrennt, was zu einem mühsamen Rechtsstreit geführt hat. Dazu sind ein mehrtägiger Spitalsaufenthalt seines Vaters und Trainers, die Trennung von Freundin Olga und eine lästige Erkältung gekommen. Aber wenn er sich jetzt rechtzeitig wieder erfängt, zählt er als Sieger von Madrid 2018 und Rom 2017 natürlich auch zu den Favoriten für Paris.

Dort muss er aber unter anderem an Dominic Thiem vorbei …

Und was dessen Schläge auf Sand anrichten können, hat man ja wieder in Barcelona gesehen. Die werden durch den extremen Drall und Druck nach dem Aufsprung noch einmal gefährlich. Mit seinem relativ leichten Racket mit ca. 315 Gramm und dem extra angefertigten kleinen Griff der Stärke 2,5 kann er den Schlägerkopf extrem beschleunigen. Dazu versucht er jetzt auch auf Sand immer häufiger ähnlich aggressiv zu spielen wie auf Hartplatz, um so die Punkte kürzer zu gestalten.

Der Weg nach Paris führt auch für den Österreicher über Madrid und Rom. Denkst du, wird er auch heuer in der Woche vor Roland Garros dazu noch in Lyon spielen?

Ich danke, dass er bis dahin mehr als ausreichend Matches in den Beinen haben wird, dass er nicht auch noch in Lyon ran muss. Speziell Madrid liegt ihm, dort ist er 2017 und 2018 im Finale gestanden und die Höhe kommt seinem Drall entgegen. Insgesamt schaut das alles schon sehr positiv aus und ich bin zuversichtlich, dass Dominic seine aktuelle Topform auch für Paris konservieren kann.

Interview: Fritz Hutter // tennisnet.com

Empfohlene Videos