Euphorie nach 3:1-Gala: Salzburg dicht vor erstem CL-Achtelfinale

21. Okt.
SALZBURG,AUSTRIA,20.OCT.21 - SOCCER - UEFA Champions League, group stage, Red Bull Salzburg vs VfL Wolfsburg. Image shows head coach Matthias Jaissle (RBS).

Foto: GEPA Pictures / Mathias Mandl

Nach Salzburgs starkem CL-Auftritt gegen Wolfsburg winkt den Bullen die erste K.o.-Phase in der "Königsklasse" - doch Erfolgscoach Matthias Jaissle tritt auf die Euphoriebremse.

Sieben Punkte aus drei Spielen: Der FC Salzburg ist dem erstmaligen Einzug ins Achtelfinale der UEFA Champions League schon ganz nah. Mit reifem Offensiv-Fußball bezwang Österreichs Serien-Meister den VfL Wolfsburg am Mittwoch klar mit 3:1. Und steht nun auch in der Königsklasse dort, wo man national seit Jahren ist: An der Tabellenspitze. Prompt macht sich verständlicherweise Euphorie im Bullen-Lager breit.

Nach dem zweiten Treffer von Doppelpacker Noah Okafor ging die Welle der Begeisterung durch das ausverkaufte Salzburger Stadion, minutenlang feierten die 28.520 Zuschauer nach Abpfiff ihre Helden. "Es ist einfach eine geile Geschichte aktuell", sagte Matthias Jaissle nach dem zweiten CL-Sieg hintereinander, ritt die Euphorie-Welle dann aber doch nicht mit.

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Erfolgscoach Jaissle dämpft die Euphorie

Vielmehr trat der stets zurückhaltende Deutsche recht heftig auf die Bremse. Er erwarte weitere drei Spiele "auf Messers Schneide", da könne "in den nächsten drei Spieltagen noch alles passieren", sagte der 33-Jährige. Und erzählte aus seiner Schulzeit: "Mathe war echt ein schlechtes Fach bei mir in der Schule."

Denn an Wahrscheinlichkeits-Rechnungen wollte sich Jaissle angesichts der exzellenten Momentaufnahme in der Gruppe G nicht versuchen. "Wir gehen das tatsächlich nach wie vor in aller Bescheidenheit an und wollen auch im nächsten Spiel in Wolfsburg wieder mutig und frech sein. An Rechenspielchen beteilige ich mich nicht." Dass die Gruppen-Gegner Lille und Sevilla (0:0) später auch noch die Punkte teilen würden, wusste er da freilich noch nicht.

Nur sechs Clubs hatten in der Vorsaison zur Halbzeit in der Gruppe sieben Punkte oder mehr - und alle sechs schafften danach auch den Sprung in die K.o.-Runde. Gelingt das auch Salzburg, würde Sturm Graz seine nationale Sonderstellung verlieren. Bisher gelang nur den Steirern das Kunststück, die Gruppenphase in der Eliteliga zu überstehen und auch noch im Frühjahr vertreten zu sein. Ivica Vastic & Co. wurden im Herbst 2000 Gruppensieger.

Bullen haben "Aufstiegs-Matchbälle"

Die Bullen haben für Ähnliches nun drei Matchbälle. Dies würde mit zusätzlichen 9,6 Mio. Euro vergütet, bereits jetzt haben die Salzburger in der Gruppe 6,53 Mio. an Punkte-Prämien eingespielt. Das nächste Spiel steigt schon am Dienstag in zwei Wochen erneut gegen Wolfsburg, auswärts in der Autostadt. Und passiert bis dahin kein Wunder, wird der VW-Werksclub auch in der Fremde in Reichweite sein.

"Spiel verloren", ließ ein geknickter Wolfsburg-Trainer Mark van Bommel lapidar wissen. Sein Team kassierte zwar früh das 0:1 durch Karim Adeyemi (3.), hatte durch Lukas Nmecha (15.) aber gut in die Partie zurückgefunden. Dass die Niederlage dann ausgerechnet aus zwei Eckbällen resultierte, ärgerte den früheren Weltklasse-Mittelfeldspieler maßlos. Sieben Spiele ohne Sieg sind eine Bewährungsprobe.

"Wir sind eine Mannschaft, die über den Zusammenhalt kommt. Wenn wir das nicht machen, sind wir eine normale Mannschaft", sagte van Bommel. Und sprach den zwar ironisch gemeinten, aber vielsagenden Satz: "Ich kann nicht Playstation spielen mit den Jungs." Mittelfeldspieler Renato Steffen beklagte das Fehlen einer Einheit. "Aus irgendeinem Grund verlieren wir irgendwann die Ordnung und unsere Spielphilosophie. Und dann arbeiten wir nicht mehr zusammen", meinte der Schweizer.

"Waren heute nahe bei 100 Prozent"

Das Gegenteil durfte Jaissle konstatieren. Nämlich, dass seine junge Mannschaft offenbar tadellos umsetzt, was er vorgibt. Drei Gegentore in drei Spielen sprechen Bände im Vergleich mit Vorjahren. "Wir waren heute nahe bei 100 Prozent. Das war auch notwendig, dass wir gegen eine starke Mannschaft aus der deutschen Bundesliga nahe an unserer Leistungs-Maximum kommen", sagte Jaissle.

Der bereits als Transfer-Flop titulierte Okafor spielte einen Teil seiner elf Millionen Euro schweren Ablöse mit seinen ersten beiden Champions-League-Treffern und einer insgesamt starken Leistung wieder ein. "Ich bin mit sehr viel Selbstdruck hierhergekommen, hatte dann mit Verletzungen auch Pech. Aber ich habe immer an mich geglaubt und hart gearbeitet. Ich will mich täglich pushen", sagte der Schweizer, der auch Lob von der deutschen Presse erhielt. "Okafor macht's Wolfsburg vor", titelte die "Bild"-Zeitung.

Die Wissbegierde sei die größte Tugend seines Teams, betonte Jaissle. "Wir haben uns vorgenommen, dass wir aus jeder Halbzeit in der Champions League lernen. Das machen wir extrem schnell und extrem effektiv." So effektiv, dass nach zwei Lehrjahren der erstmalige Einzug in die K.o.-Runde zum Greifen nahe ist. "Wenn wir so weiterspielen in den restlichen drei Spielen, dann haben wir gute Chancen", sagte Okafor. (APA/red.)

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