Formel 1: Nächstes Ferrari-Debakel – Druck auf Binotto immer größer

20. Juli
MELBOURNE,AUSTRALIA,15.MAR.19 - FORMULA 1 - Grand Prix of Australia, Albert Park Circuit, free practice. Image shows Mattia Binotto (Ferrari Team Principal). Photo: GEPA pictures/ XPB Images/ Bearne - ATTENTION - COPYRIGHT FOR AUSTRIAN CLIENTS ONLY

Foto: GEPA Pictures / XPB Images / Bearne

Spätestens nach dem Ungarn-Grand-Prix steht Ferrari-Teamchef Mattia Binotto mit dem Rücken zur Wand: Die Überrundung durch Lewis Hamilton war für die Scuderia die Höchststrafe.

Mattia Binotto setzte sich auf einen roten Stuhl und rollte immer weiter nach hinten. Bis der Teamchef des schwer kriselnden Formel-1-Rennstalls Ferrari mit dem Rücken zur Wand saß. Vermutlich war sich der 50-Jährige der Symbolhaftigkeit gar nicht bewusst, als er dort hockte bei der Videokonferenz in einem winzigen Raum im Motorhome der Scuderia auf dem Hungaroring.

Flankiert wurde er dabei von seinen beiden enttäuschten Fahrern Sebastian Vettel und Charles Leclerc. Beide kamen beim Ungarn-Grand-Prix nicht über die Plätze sechs bzw. elf hinaus. Und waren dabei auf der Rennstrecke vor den Toren Budapests sogar von Mercedes-Star Lewis Hamilton überrundet worden - Höchststrafe. Sehr schmerzlich sei das "für uns und unsere Fans", räumte Binotto ein.

Die ersten drei Rennen sind aus Ferrari-Sicht überstanden. Allerdings noch schlimmer, als vor der Saison befürchtet. Grund zur Freude brachte der Neustart den Italienern nicht. Die Roten aus Maranello, die sich im Winter noch so auf den 1.000. Grand Prix ihrer ruhmreichen Geschichte in der Motorsport-Königsklasse in diesem Jahr gefreut hatte, rätselte auch nach ihrem 994. WM-Lauf über den SF1000 und dessen Potenzial.

"Unsere Normalität ist nicht gut genug"

Der frühere Serien-Weltmeister Vettel erreichte mit Platz sechs seine beste Saison-Platzierung. Leclerc dagegen fuhr als Elfter nicht einmal in die Punkteränge. "Unsere Normalität ist nicht gut genug", betonte Vettel auf seiner quälenden Abschieds-Tournee bei der Scuderia, die er am Saison-Ende verlassen wird. Ein paar Tage Lebens-Normalität bei seiner Familie in der Schweizer Wahlheimat dürften dem Deutschen nun gut tun. Nach den drei Stress-Wochen ist am kommenden Wochenende rennfrei, ehe es zum Doppelpack nach Silverstone geht. Zu den Heim-Rennen von Formel-1-Dominator Hamilton.

Fast zwangsläufig wissen auch die beiden Ferrari-Piloten, dass sie den Briten auf dem Weg zu seinem siebten WM-Triumph in der Corona-Notsaison nicht aufhalten werden. Auf die Frage, wie der 35-Jährige überhaupt noch davon abzuhalten sei, antworte Vettel: "Wenn Valtteri Weltmeister wird." Gemeint war Hamiltons Teamkollege Bottas. Doch auch den hat der 86-fache Grand-Prix-Gewinner und 90-fache Pole-Setter nach dessen Auftakt-Sieg schon wieder im Griff.

"Das Auto und der Motor sind ein bisschen ein Biest. Genau das, was wir brauchten. Es ist ein Auto, das Fahrer mögen", meinte Mercedes-Teamchef Toto Wolff zum schwarz lackierten Silberpfeil, von dessen Qualität der Ferrari meilenweit entfernt ist. "Wir können die Lücke erst dann schließen, wenn wir verstanden haben, warum unser Auto so langsam ist", lautete Binottos fast schon verzweifelter Kommentar. Und dazu soll alles und jeder nach der Rückkehr in die Heimat offensichtlich auf den Prüfstand kommen. "Jeder wird seine Arbeit analysieren und den Mut haben müssen, den Kurs zu wechseln, wenn das notwendig ist. Denn die aktuelle Dynamik ist nicht akzeptabel", stellte der Ferrari-Teamchef klar.

Binotto kündigt radikale Analyse an

Es gebe keine andere Lösung, "um diese Situation in den Griff zu kriegen". Im Detail äußerte sich Binotto nicht dazu. "Rollen Köpfe?", hatte da bereits die "Gazzetta dello Sport" gefragt. Und gab sich selbst die spekulative Antwort: "Ja, wenn das dazu führt, dass die verschiedenen Abteilungen besser funktionieren."

Als Teamchef ist Binotto selbst maßgeblich verantwortlich für die Performance des Rennstalls. Von enttäuschenden Ergebnissen bis zu teaminternen Karambolagen und dem frühen Ausfall beider Autos beim zweiten Spielberg-Rennen vor einer Woche. Seit Jänner 2019 ist Binotto Ferrari-Teamchef. Der Maschinenbau-Ingenieur löste damals den früheren Zigaretten-Manager Maurizio Arrivabene ab. Mit dem großen Ziel, die Scuderia zum ersten Fahrer-Titel seit 2007 (Kimi Räikkönen) zu führen.

Doch von diesen hohen Ansprüchen ist Ferrari aktuell meilenweit entfernt. Nach drei Rennen belegen Leclerc, der im Auftakt-Rennen in Österreich noch Zweiter war, und Vettel in der WM nur die Ränge sieben bzw. zehn. Und in der Konstrukteurs-Wertung ist Ferrari lediglich Fünfter und damit nur noch graues Mittelmaß. Kein Wunder also, dass bereits intensiv über Binottos Ablöse spekuliert wird. (APA/red.)

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