Fußball-EM: England empfängt Deutschland zum Klassiker

29. Juni
INNSBRUCK,AUSTRIA,02.JUN.21 - SOCCER - UEFA European Championship, preview, international test match, Germany vs Denmark. Image shows the disappointment of Thomas Mueller (GER).

Foto: GEPA Pictures / Daniel Schoenherr

Schon im Achtelfinale der EM 2021 wird die Chronik des Fußball-Klassikers England gegen Deutschland um ein Kapitel reicher. Den Blick in die Geschichtsbücher fürchten vor dem prestigeträchtigen Duell in der Fußball-Kathedrale namens Wembley-Stadion am Dienstag (18:00 Uhr) vor allem die Männer von der Insel. Seit 1975 haben die "Three Lions" nämlich kein Heimspiel mehr gegen das deutsche Nationalteam gewonnen.

Es scheint, als läge seit dem gewonnenen WM-Finale 1966 ein "Wembley-Fluch" auf englischen Länderspiel-Auftritten gegen Deutschland. Neunmal kam es seit 1966 in London zu diesem Klassiker. Siebenmal verließen die Gastgeber ihre Arena mit hängenden Köpfen. Der einzige Heimsieg war das 2:0 am 12. März 1975 - in einem bedeutungslosen Testspiel.

Letzte vier K.o.-Duelle an Deutschland

Hinzu kommt, dass die Deutschen den Engländern bei Großereignissen das Fürchten lehrten. Die jüngsten vier K.o.-Duelle gingen an "The Germans". In Zeit ausgedrückt bedeutet das: Seit 55 Jahren hat England bei großen Turnieren jedes dieser Alles-oder-Nichts-Spiele gegen den Erzrivalen verloren.

Je näher die Partie rückt, desto rauer und hektischer wird der Ton auf der Insel. Die Gazetten drucken "Listen der Erniedrigungen" gegen Deutschland ab und erinnern dabei etwa an das verlorene Elfmeterschießen im WM-Halbfinale 1990 oder im EM-Halbfinale 1996. Bei letzterem Duell versagten Englands heutigem Coach Gareth Southgate gegen DFB-Goalie Andreas Köpke die Nerven. Oder an das WM-Achtelfinale 2010, als ein Schuss von Frank Lampard von der Unterkante der Latte klar hinter der Torlinie aufkam. Nur der Schiedsrichter sah das nicht - und am Ende gewann Deutschland mit 4:1.

Nun soll der schwarzen Serie ein Ende gesetzt werden. "Diese Mannschaft kann mit diesem Spiel Geschichte schreiben. Und den Menschen für die Zukunft Erinnerungen an Duelle zwischen Deutschland und England mitgeben, die anders sind als die, mit denen sie in den letzten Tagen überflutet worden sind", sagte Southgate.

England wischt Historie beiseite

Im Team wird die Historie klein gehalten. Die aufgezählten Niederlagen hätten "überhaupt keine Bedeutung, weil sie da noch nicht mal geboren waren", sagte Southgate. "Ich war erst elf, als das Tor von Lampard nicht gegeben wurde. Das ist meine Haupt-Erinnerung an die Geschichte zwischen England und Deutschland", bekundete Declan Rice.

Für Mittelfeld-Mann Kalvin Phillips zählt nur das Hier und Jetzt. "Ob wir vor Jahren gegen Deutschland mal gut oder schlecht waren, spielt keine Rolle. Es geht darum, wie wir am Dienstag spielen", sagte der Mann von Leeds United. Kapitän Harry Kane betonte, man habe "viele Spieler mit großem Selbstbewusstsein".

Ob Kane damit auch sich selbst meinte, ist nicht überliefert. Tatsächlich wird einiges vom 34-fachen Länderspiel-Torschützen abhängen, der gegen die Deutschen seinen ersten Turnier-Treffer erzielen will. Liverpools Jordan Henderson soll fit genug für seinen ersten EM-Startelf-Einsatz sein. Ansonsten dürfte Southgate vor allem defensiv nicht viel verändern. Denn die Engländer sind bei der EM noch ohne Gegentor - und das soll auch gegen Deutschland so bleiben.

Müller stichelt gegen "Three Lions"

Dass die Engländer ihre eigene Geschichte am Dienstag tatsächlich ausblenden können, glaubt Thomas Müller nicht. "Die Engländer versuchen, sich ein bisschen Selbstbewusstsein einzureden", mutmaßte der wiedergenese und immer noch auf sein erstes EM-Tor überhaupt wartende Offensiv-Spieler des FC Bayern. Das hinderte den 31-Jährigen nicht daran, hinzuzufügen: "Wir wollen natürlich immer wieder in diese englische Turnier-Wunde reinstechen."

Doch auch auf der Gegenseite werden unrühmliche Serien betont, die noch dazu viel aktueller sind. Etwa, dass die Mannschaft von Joachim Löw zuletzt bei sieben Turnier-Spielen in Folge immer mit 0:1 in Rückstand geriet. Ein damit konfrontierter Manuel Neuer meinte im "Kicker": "Für mich hört sich das alles etwas negativ an, wie wir hier gerade nach dem Einzug ins Achtelfinale und vor einem Duell mit England sprechen. Für mich ist das bislang kein schlechtes Turnier von uns." Der Goalie forderte: "Jetzt entscheidet jede Kleinigkeit, da müssen wir hellwach sein. Eine stabile Defensive ist jetzt elementar wichtig für unser Spiel."

Verlockend ist der weitere Turnierbaum. Die Niederlande sind ausgeschieden, der Viertelfinal-Gegner heißt Schweden oder Ukraine. Danach folgen entweder Tschechien oder Dänemark im Halbfinale. Der ganz große Name würde erst wieder in einem möglichen Finale warten.

Vorerst aber heißt es: Weiterer Wundbrand oder -Heilung? Löw-Abschied oder nächster Wembley-Ruhm? Der emotionale Klassiker ist angerichtet. "Das sind zwei große Fußball-Nationen, das wird hoffentlich ein Leckerbissen", sagte Müller. (APA/red.)

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