Fußball-EM: Mbappes einsamster Moment – „Ich habe versagt“

29. Juni
BUCHAREST,ROMANIA,28.JUN.21 - SOCCER - UEFA European Championship, international match, round of 16, France vs Switzerland. Image shows the disappointment of head coach Didier Deschamps and Kylian Mbappe (FRA).

Foto: GEPA Pictures / Panoramic / Anthony Bibard

In diesem einsamen Moment erinnerte Kylian Mbappe an den großen Zinedine Zidane. Mit gesenktem Kopf, den Blick ins Nichts, verließ der 22-Jährige den Platz der Arena Naționala, in dem die Schweizer Fußballer feierten. Wie einst auf Zidane nach dessen Platzverweis im verlorenen WM-Finale 2006 lastete der französische Schmerz auf ihm allein. "Ich wollte dem Team helfen, aber ich habe versagt", schrieb Mbappe nach dem EM-Aus des Weltmeisters auf seinen Social-Media-Kanälen.

Im hochdramatischen Achtelfinale von Bukarest vergab ausgerechnet Mbappe den entscheidenden Elfmeter. Im französischen Star-Ensemble, das als Favorit in das Turnier gegangen war, ragt der Pariser noch einmal heraus. Dass er als letzter französischer Schütze antrat, war also nur folgerichtig. Doch der agile Außenstürmer scheiterte am Schweizer Torhüter Yann Sommer von Borussia Mönchengladbach. Frankreich verlor mit 4:5 im Penalty-Duell, nachdem der Spielstand nach 120 Minuten 3:3 geheißen hatte.

Deschamps kann Mbappe nicht trösten

"Das Einschlafen wird schwierig sein. Aber leider sind es die Höhen und Tiefen dieses Sports, die ich so sehr liebe", schrieb Mbappe - oder einer seiner Gefolgsleute in seinem Auftrag - und erzählte von "immenser Traurigkeit". Nun sei es wichtig, "noch stärker aufzustehen".

Trainer Didier Deschamps, der mit Zidane 1998 Welt- und 2000 Europameister geworden war, hatte noch zaghaft versucht, Mbappe bei dessen schwerem Gang vom Rasen zu trösten. "Er weiß natürlich um seine Verantwortung", berichtete der Coach. "Er wollte diesen Elfmeter schießen." Erste Fragen nach einem Bruch im Team wies der 52-Jährige sofort zurück. "Die Mannschaft ist vereint. Es ist eine einzigartige Mannschaft, heute ist sie am Boden - aber vereint."

Dennoch - das Aus schon im Achtelfinale, zumal Frankreich zwischenzeitlich mit 3:1 geführt hatte, wirft Fragen auf. Nach dem 1:0 im ersten Gruppenspiel gegen Deutschland dominierte der Weltmeister bei diesem Turnier nicht mehr wie gewohnt. Deschamps hatte zwar vieles richtig gemacht. Nicht zuletzt hatte er Karim Benzema, der gegen die Schweiz zweimal traf, nach sechs Jahren erzwungener Absenz in die Equipe Tricolore zurückgeholt. Benzema, Mbappe, Antoine Griezmann, dahinter Paul Pogba, N'Golo Kante und Adrien Rabiot in bestechender Form - das bedeutet fast zwangsläufig die Favoritenrolle.

Eine Phase der Überheblichkeit

Nach dem Deutschland-Spiel folgten aber nur zwei Remis gegen Ungarn sowie Portugal. Und dann kam die Schweiz, die vielleicht auch eine kleine Phase der Überheblichkeit nach der 3:1-Führung ausnutzte. "Wenn Frankreich gewinnt, sind wir die Besten der Welt. Und wenn wir verlieren, ist es meine Verantwortung", stellte sich Deschamps schützend vor seine Spieler. Nach Rücktritt klangen seine Aussagen nicht. Das Aus "wird uns allen helfen", machte er vielmehr Mut. Es sei "grausam", im Elfmeterschießen auszuscheiden. Aber "auch wenn es ein enttäuschender Moment ist, wir halten zusammen".

Der Sender RMC meinte: "Eins ist klar: Verbandspräsident Noel Le Graet wird Didier Deschamps nicht entlassen. Das ist unmöglich. Aber will Deschamps überhaupt weitermachen?" Der frühere Bayern-Profi Willy Sagnol kritisierte die Taktikwechsel als "fatal." Und für Frankreichs für den Sport zuständige Ministerin Roxana Maracineanu war der ganze Abend "hart, schrecklich hart".

So wie es damals im Berliner WM-Endspiel Zidanes Gang mit gesenktem Kopf am goldenen Pokal vorbei war. Für "Zizou" war es 2006 sein letzter als Nationalspieler, er beendete damals mit 34 Jahren seine Karriere. Davon ist Mbappe noch weit entfernt. "Halte den Kopf hoch, Kylian. Morgen wird der erste Tag einer neuen Reise", twitterte Brasiliens Weltstar Pele (80) bereits. "Null Tore und ein grausames Ende", hielt dagegen die Zeitung "Le Parisien" dem 22-Jährigen seine deprimierende EM-Bilanz vor... (APA/red.)

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