Jorge Lorenzo: „Dass man anfängt zu zweifeln, ist doch normal“

1. Okt.
LAT

Jorge Lorenzo erlebt eine sehr schwierige erste Saison im Honda-Team

Jorge Lorenzo spricht über seine Zweifel im Sommer und seine derzeitige Enttäuschung - dass Honda der Richtung von Teamkollege Marquez folgt, ist für ihn ein Nachteil.

Seit seinem Comeback nach mehr als zweimonatiger Verletzungspause hat Jorge Lorenzo die Positionen 14, 14 und 20 belegt. Der Rückstand auf die Spitze und seinen Honda-Teamkollegen Marc Marquez ist nach wie vor gigantisch. "Silverstone war eine sehr harte Situation. Drei Wochen später war es in Misano etwas besser. Aber ich bin immer noch sehr weit hinten", sagt Lorenzo bei 'MotoGP.com' über seine derzeitige Situation.

Ein 11. Platz in Le Mans war sein bisher bestes Saison-Ergebnis. Kein einziges Mal schaffte es der dreimalige MotoGP-Weltmeister mit der Honda RC213V in die Top 10. "Ich habe noch nicht das komplette Vertrauen zur Honda gefunden. Vor Assen war es bei 90 oder 95 Prozent. Aber selbst damit hatte ich Probleme. Ich hatte kein Vertrauen zum Vorderreifen. Wenn dann noch Verletzungen dazukommen, ist es sehr schwierig, auf einem hohen Level zu fahren."

Die Wirbelverletzung in Assen war der jüngste Rückschlag nach einer ganzen Serie von Blessuren. Seit Aragon im Vorjahr war Lorenzo nicht mehr verletzungsfrei und komplett fit. "Wenn man vier schwere Verletzungen hatte ist es ganz normal, dass man anfängt zu zweifeln. Aber meine Verpflichtung gegenüber Honda wurde für mich wieder stärker und stärker. Deshalb habe ich Alberto (Puig, Anm. d. Red.) und Honda angerufen, um ihnen mitzuteilen, dass ich dabei bleibe."

Rückhalt von Puig für Lorenzo wichtig

Trotz Spekulationen über ein Karriere-Ende bekräftigt Lorenzo seit der Posse in Spielberg um eine mögliche Rückkehr zu Ducati, dass er seinen Zweijahres-Vertrag mit Honda erfüllen wird. "Alberto kennt sich mit Motorrädern und Fahrern aus. Er hat mich überrascht, denn in einer sehr schwierigen Situation will er natürlich bessere Ergebnisse sehen. Aber er ist sehr respektvoll und hat Vertrauen in mein Können. Das ist für mich sehr wichtig, und das schätze ich sehr."

Im Winter wurde viel über ein explosives Stall-Duell zwischen Marquez und Lorenzo gesprochen. Aber schon die ersten Testfahrten haben gezeigt, dass sich Lorenzo mit der Umstellung von Ducati auf Honda schwer tut. "Als ich das 2018er-Motorrad zum ersten Mal probiert habe, habe ich mich recht gut gefühlt. Beim neuen Motorrad ist der Motor viel stärker, aber in den Kurven fühlt es sich nicht richtig an", spricht der Spanier die technische Seite an.

"Alle anderen Fahrer, Cal (Crutchlow, Anm. d. Red.) und ich, haben größere Probleme mit dem neuen Motorrad. Deswegen haben wir Schwierigkeiten, konkurrenzfähig zu sein. Marc gewinnt mit diesem Motorrad. Er verlangt eine spezielle Charakteristik vom Motorrad. Honda muss dem Fahrer folgen, der damit gewinnt. Das ist ganz logisch. Die anderen Fahrer müssen dieser Richtung folgen. Für mich ist das nicht das Beste. Aber Honda muss dem Fahrer folgen, der gewinnt."

Ohne Assen-Sturz wäre alles "100 Mal" besser

"Natürlich bin ich enttäuscht, denn ich habe viel mehr erwartet. Auch das Team hat mehr erwartet. Als ich angefangen habe, konkurrenzfähig zu zeigen, ist der Sturz in Assen passiert. Alles wurde dadurch schlimmer", seufzt Lorenzo. "Es wäre sicher 100 Mal besser, wenn dieser Sturz nicht gewesen wäre. Denn in drei Monaten vergisst man alles. Man fängt in allen Bereichen wieder bei Null an. Das betrifft die körperliche Verfassung, aber auch das Verständnis für das Motorrad."

Aus dieser Spirale muss der 32-Jährige vor allem für 2020 einen Ausweg finden. In den restlichen fünf Saison-Rennen erwartet er keine Wunderdinge. "Ich liebe den Wettbewerb. Aber ich erwarte nicht, dass ich um Siege oder Podestplätze kämpfen werde. Doch wenn ich den 11. Platz von Le Mans verbessern und den Rückstand reduzieren kann, dann wäre ich zufrieden. Man muss realistisch sein. Momentan ist es nicht möglich, Rennen zu gewinnen und um die WM zu kämpfen."

Mit derzeit 23 WM-Punkten ist es Lorenzos schlechteste MotoGP-Saison. Nur in einem Jahr hat er weniger Zähler gesammelt. Das war 2002 in seiner Debüt-Saison in der 125er-Klasse. Damals durfte er altersbedingt erst beim dritten Rennen in Jerez starten. 21 Punkte sammelte er damals. 2002 und 2019 sind auch die bisher einzigen Jahre, in denen Lorenzo kein einziges Mal auf dem Podest stand. Viel Zeit bleibt ihm allerdings nicht mehr, um das in dieser Saison noch zu ändern...

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