KTM-Sportchef Pit Beirer: „Es war grausam, Zarco so zu sehen“

13. Aug.
LAT

Johann Zarco will und kann nicht mehr: Er verlässt KTM nach dieser MotoGP-Saison

Nach Johann Zarcos Vertragsauflösung bei KTM spricht Sportdirektor Pit Beirer über die Entscheidung des Franzosen - und über mögliche Nachfolge-Kandidaten im Team.

Kurz nach dem Heimrennen von KTM am vergangenen Wochenende in Spielberg schockte der österreichische Hersteller am Montag mit der Ankündigung, dass er und MotoGP-Pilot Johann Zarco ab 2020 getrennte Wege gehen. Der Franzose hat um eine vorzeitige Auflösung des Zweijahres-Vertrags mit dem Werksteam gebeten.

"Es war nicht ganz unsere eigene Entscheidung", bestätigt KTM-Sportchef Pit Beirer bei 'ServusTV'. "Es war so, dass Johann am Samstagabend zu mir und Mike Leitner gekommen ist, er wollte einen Termin bei uns. Da haben wir uns schon ein bisschen gewundert, denn die Uhrzeit war etwas ungewöhnlich für ein kleines Briefing."

"Und da hat er wirklich angespannt und mit Tränen in den Augen vor uns gesessen und gesagt, er packt das momentan nicht mehr und er möchte aus dem Vertrag raus", beschreibt Beirer die Offenbarung des Franzosen. "Es gab gar nicht so viel Spielraum, um irgendwas zu diskutieren. Denn wir haben ja nach wie vor den Anspruch, mit ihm aus dieser Ecke herauszukommen, in der wir ja gemeinsam drinstecken."

Zarcos Entscheidung "aus sportlicher Sicht nachvollziehbar"

Seit Beginn der Saison und seinem Wechsel von Tech-3-Yamaha ins KTM-Werksteam hat Zarco mit der Anpassung an die RC16 zu kämpfen. Seinen sanften Fahrstil auf den völlig anderen Charakter der KTM umzustellen, fällt ihm nach mehr als einem halben Jahr noch schwer. Nur einmal in elf Rennen schaffte er es in die Top 10.

Die Frustration und Verzweiflung war ihm an beinahe jedem Rennwochenende anzusehen - und irgendwann offenbar zu groß. "Sein Entschluss war so fest und so klar und eigentlich auch traurig", sagt Beirer. "Aber es war auch unser Wunsch, ihm zu helfen, sich aus dieser Situation zu befreien und ihn nicht zusätzlich zu belasten."

"Er wollte den Vertrag brechen. Er hat gesagt, ihr könnt mir eine Penalty geben, und uns irgendwann sogar sein letztes Geld angeboten. Es war also eine irrsinnige Diskussion, die uns wirklich sehr beeindruckt hat. Als Mensch und als Typ, wie er da gesessen ist, war es echt grausam mit anzusehen. Auf der anderen Seite ist es sportlich natürlich verständlich. Er sieht sich mit uns in einem Tal, wo er so nicht mehr rauskommt."

Pit Beirer lobt Bewerbungsfrist für MotoGP-Platz 2020 aus

Zarco wolle sich neu ausrichten - und das muss auch KTM tun, schließlich fehlt für 2020 jetzt ein Fahrer. Beirer weiß: "Es ist schon ein extrem schlechter Zeitpunkt, weil die Topfahrer irgendwo zwei Jahre unter Vertrag sind. Das große Stühlerücken kann dann wenn erst nächstes Jahr stattfinden. Somit ist der Zeitpunkt, jetzt hier einen neuen Fahrer zu finden, nicht wirklich der optimale. Es gibt keinen großen Masterplan."

Der KTM-Sportchef ruft stattdessen eine Bewerbungsfrist für alle Interessenten aus. "Die dauert bis 19. November in Valencia und es können sich also namhafte Spitzenfahrer gerne bei uns für den MotoGP-Ride bewerben", so Beirer. Dabei gäbe es im eigenen Fahrerpool des Herstellers, etwa bei den Testpiloten, durchaus auch Kandidaten.

Ein Name, der seit Zarcos Ankündigung gerne genannt wird, ist Dani Pedrosa. Angesprochen auf ein mögliches Comeback hält sich der KTM-Edeltester bei 'ServusTV' aber betont bedeckt: "Diese Frage habe ich erwartet. In dieser Situation ist es aber erst einmal einfach traurig für Johann. Er ist so weit gekommen, aber wenn man jetzt an diesem Punkt und so verzweifelt ist, bleibt einem wohl nichts anderes übrig, als auszusteigen."

KTM-Testpilot Dani Pedrosa wiegelt Comeback vorerst ab

"Ich habe großen Respekt vor ihm, er ist ein super Fahrer", sagt Pedrosa weiter. "Aber im Moment weiß ich gar nicht, wie ich da jetzt reagieren soll. Ich habe ja immer noch den Auftrag zu testen für KTM. Und das ist dann in Zukunft auch meine Position, denke ich. Es ist jedoch einfach schwierig für mich." Ein klares Nein klingt anders.

Doch Pedrosa betont: "Ich bin jetzt so viel entspannter als früher, ich habe diesen ganzen Druck nicht mehr vorm Rennen. Ich kann mich jetzt ganz auf die Tests konzentrieren und brauche nicht mehr so sehr auf die Rennen zu schauen. Insofern ist das jetzt gar nicht mein Plan." Und wohl vorerst auch nicht der von KTM, wie Beirer erklärt.

"Zunächst einmal sind wir extrem glücklich, was er für eine Arbeit macht im Testteam und wie er sich ins Team integriert", lobt er Pedrosas Engagement. "Das ist wesentlich mehr, als wir uns erwartet haben. Er sagt: 'Wir gemeinsam müssen an die Spitze.' Und was er Miguel jetzt auch für ein Paket vorbereitet hatte für Spielberg, das war schon allererste Sahne. Also von dem Edelhelfer Dani profitieren wir jetzt schon ganz gewaltig."

Beirer will bei Suche nach Ersatzmann nichts überstürzen

"Drum ist er für uns enorm wichtig in der Rolle, in der er gerade ist. Die andere Phantasie können wir zwar auch so ein bisschen fliegen lassen, aber er hat einen ganz klaren Auftrag bei uns. Den hat er voll angenommen und daran arbeiten wir. Und ich möchte auch daran erinnern: Wir haben bereits drei Spitzenfahrer unter Vertrag."

Neben KTMs Nummer-eins-Fahrer Pol Espargaro sitzen für 2020 Miguel Oliveira und Brad Binder, der aus der Moto2 aufsteigt, für das eigene Kundenteam im Boot. "Also wir haben schon mal drei Plätze mehr als hervorragend besetzt. Und jetzt läuft wie gesagt die Bewerbungsfrist", erklärt Beirer und warnt vor überstürzten Entscheidungen.

"Wir brauchen jetzt so ein bisschen Ruhe, weil es nichts nützt, wenn wir hier jetzt schlagartig sehr viele Namen ansprechen. Wir haben ja auch noch einen anderen super Testfahrer zu Hause sitzen mit Mika Kallio. Er hält sich laufend fit. Also bei den Fahrern haben wir eh eine sehr gute Situation", betont der Sportdirektor und hält sich damit alle in Frage kommenden Optionen für eine Zukunft ohne Johann Zarco offen.

Miguel Oliveira als Zarco-Nachfolger? Das sagt er selbst

Auch Oliveira vom Kunden- ins Werksteam zu befördern, wäre eine mögliche Variante. Doch der Achtplatzierte von Spielberg hält sich ähnlich wie Pedrosa mit konkreten Aussagen zurück. "Zunächst einmal muss ich sagen, ich stimme dem zu, was Dani sagt. Es ist eine traurige Situation für Johann, als Mensch zunächst mal und dann auch als Motorsportprofi und Topfahrer für ein Topteam", bedauert der Tech-3-Pilot.

"Es ist für ihn nicht gut und eigentlich auch nicht für das gesamte Projekt. Denn er ist ja auch ein Leader, wenn es darum geht, das Bike zu entwickeln, das Paket insgesamt zu verbessern mit Pol, mit den ganzen Leuten im Werk. Und im Moment funktioniert das nicht unbedingt. Aber im Projekt selbst sind wir an einem wirklich starken Punkt."

Mit Pedrosa habe KTM einen sehr wertvollen Fahrer im Team, "der insgesamt viel, viel mehr Erfahrung hat als alle Fahrer zusammen", sagt Oliveira. "Ich kann KTM nicht genug danken, sie hätten mir nicht unbedingt jetzt schon ein Werksbike zur Verfügung stellen müssen. Aber es ist passiert und sie bringen auch immer wieder neue Teile zum Testen, das ist ganz toll." Und er dankte es mit einem Top-10-Ergebnis in Spielberg.

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