MotoGP-Saison 2022: Sind acht Ducatis eine Gefahr?

7. Jan.
Bereiten der Konkurrenz Sorgen: Die acht Ducati-Piloten der MotoGP-Saison 2022.

Foto: Ducati

Ein Drittel des gesamten MotoGP-Feldes fährt 2022 mit Ducati. Die Konkurrenz von Yamaha, Honda und Suzuki macht sich Sorgen um das Gleichgewicht in der Königsklasse.

Gleich acht Piloten gehen in der kommenden MotoGP-Saison für Ducati an den Start. Damit stellen die Roten nicht weniger als ein Drittel des gesamten Feldes. Schon von 2016 bis 2018 rüstete Ducati acht Fahrer mit Material aus. Doch das Geschäftsmodell der Italiener hat sich seitdem grundlegend verändert.

Standen früher wirtschaftliche Interessen im Fokus, so sieht die Struktur heute völlig anders aus. Die Kundenteams werden wie kleine Werksteams behandelt, bekommen von Ducati Ingenieure und Crewchiefs gestellt. Und der Großteil der Fahrer steht direkt bei den Italienern unter Vertrag.

Ein kurzer Rückblick: 2003 debütierte Ducati in der MotoGP und verpflichtete Loris Capirossi und Troy Bayliss für das Werksteam. Drei Jahre später rüstete man die Mannschaft von D'Antin aus. In der Saison 2009 kam dann eine fünfte Ducati dazu.

Acht Ducatis in der MotoGP kein Novum

Mit der Verpflichtung von Valentino Rossi in der Saison 2011 wuchs die Anzahl der Ducati-Piloten schließlich auf sechs an. Es gab die beiden Werks-Maschinen, die zwei Pramac-Bikes und je ein Motorrad bei Aspar und Cardion AB. Und in der Saison 2016 wurden schließlich acht Fahrer mit Material aus Bologna versorgt. Pramac agierte als Satellitenteam, Aspar und Avintia waren jeweils Kunden-Rennställe.

Mit mehr finanziellen Mitteln bekamen die Teams aktuelleres Material. Zur Saison 2018 ging Ducati dann noch einen Schritt weiter: Neben den beiden Werkspiloten wurde auch Danilo Petrucci bei Pramac mit einem aktuellen Werks-Bike ausgestattet. Und seit 2020 erhalten sogar beide Pramac-Piloten aktuelle Werks-Desmosedicis.

Ducati stellt Geschäftsmodell auf den Kopf

In der Vergangenheit verlangte Ducati zwei Millionen Euro für einen aktuellen Prototyp und eine Million für ein Vorjahres-Modell. In den letzten Jahren nahmen die Italiener dann aber immer mehr Piloten unter Vertrag, und bezahlten somit auch die Gehälter der Kundenfahrer. Dennoch lohnt sich das System, denn auf exorbitant teure Gagen wie seinerzeit bei Jorge Lorenzo (geschätzte 20 Millionen Euro) verzichtete man zuletzt.

Mit Jack Miller, Francesco Bagnaia, Johann Zarco, Jorge Martin und Enea Bastianini standen fünf der sechs Ducati-Piloten der Saison 2021 direkt bei den Roten unter Vertrag. Nur Luca Marini hatte einen Kontrakt mit VR46.

Und diese neue Strategie trägt bereits Früchte. Denn auch wenn Ducati weiter auf den ersten Titel seit Casey Stoner 2007 warten muss, erarbeiteten sich die Italiener den Ruf, das beste Motorrad im Feld zu haben. Der Gewinn der Hersteller- und Teamwertung untermauern diese These.

2022er-Ducati besser als das Vorjahres-Bike?

Werkspilot Jack Miller kündigte jüngst sogar an, dass Ducati 2022 noch stärker sein wird. "Die 2022er-Ducati wird das dominierende Motorrad sein. Mit der GP21 wurden die Probleme der GP20 behoben, zum Ende der Saison waren wir dominierend. Es wurden deutliche Fortschritte erzielt."

Teamkollege Francesco Bagnaia bestätigt das: "Die GP21 war schon ein perfektes Motorrad, und sie haben es geschafft, es weiter verbessern. Ducati hat tolle Arbeit geleistet, denn es ist nicht leicht, ein ohnehin schon fantastisches Motorrad weiter zu entwickeln."

In der neuen Saison werden fünf Ducati-Piloten mit aktuellen Werks-Bikes ausgerüstet (Francesco Bagnaia, Jack Miller, Jorge Martin, Johann Zarco und Jorge Marini). Daneben wird es drei Fahrer mit 2021er-Maschinen geben (Enea Bastianini, Fabio Di Giannantonio und Marco Bezzecchi).

Bei der Konkurrenz hält sich die Begeisterung darüber scheinbar in Grenzen. Fragt man bei den Fahrern der anderen Hersteller nach, betrachten sie diese Entwicklung sogar mit Sorgen. Darunter auch Weltmeister Fabio Quartararo, der weiß, wie schwierig es ist, mit der Yamaha eine Ducati zu überholen.

Yamaha-Duo blickt sorgenvoll auf 2022

"Mehr Ducatis, mehr Probleme", kommentiert der Franzose knapp. "Es ist super schwierig für uns, sie zu überholen. Es sieht so aus, als hätten sie beim Motorrad einen riesigen Schritt gemacht, und das nicht nur beim Motor. Sie sind über eine Runde sehr schnell, aber auch auf eine komplette Renn-Distanz."

"Nach der Sommerpause haben sie sich enorm verbessert", blickt Quartararo zurück. "Sie haben richtig Fahrt aufgenommen. In Valencia haben sie auf einem Kurs, der keine Ducati-Paradestrecke ist, erst die Pole und dann die Plätze eins bis drei geholt. Da mache ich mir mit Blick auf die neue Saison schon ein bisschen Sorgen."

Yamaha-Teamkollege Franco Morbidelli pflichtet dem Titelverteidiger bei: "Es ist wirklich schwierig. Ducati hat etwas gefunden, das sie im Qualifying richtig schnell macht. Sie schaffen es immer wieder in die erste Startreihe. Wenn sie in der neuen Saison so weitermachen, wird es schwierig für uns."

Kritik an Ducatis "Großangriff" berechtigt?

Auch Ex-Weltmeister Joan Mir sorgt sich um das Gleichgewicht in der MotoGP. Mit seiner Suzuki hat er oft Probleme, an den Ducatis vorbeizukommen, die auf den Geraden deutlich höhere Topspeed-Werte erreichen. Acht der "roten Raketen" sind für seinen Geschmack zu viel. "Das ist nur für Ducati gut. Ehrlich gesagt finde ich, dass es zu viele sind", kritisiert der Spanier.

Honda-Pilot Pol Espargaro sieht das ähnlich: "Das ist echt negativ. Und da spreche ich nicht nur über die Meisterschaft, sondern auch über mich und meine persönlichen Interessen. Ducati arbeitet wirklich gut. Wenn sie sich erneut so entwickeln wie letztes Jahr, dann wird es schwierig für uns."

Ex-KTM-Pilot Iker Lecuona bewertet die Lage dagegen pragmatischer. "Ducati hat nur deshalb acht Bikes im Feld, weil sie die einzigen sind, die dafür bereit sind. Suzuki und Aprilia haben nur zwei Motorräder. Hätten sie diese zusätzlichen Plätze gewollt, hätten sie sie auch bekommen. Wenn Ducati dank der acht Motorräder die Meisterschaft bestimmt, dann nur, weil die anderen Hersteller das zugelassen haben."

Dorna-Traum wird vorerst nicht Wirklichkeit

Tatsächlich war vonseiten der Dorna ursprünglich geplant, dass jeder Hersteller je zwei Werks- und Satelliten-Bikes stellt. Doch diese Vision konnte bis dato nicht umgesetzt werden, weil Suzuki und Aprilia keine Ambitionen zeigen, weitere Fahrer mit ihrem Material ins Rennen zu schicken.

"Aus romantischer Sicht würde ich mir wünschen, dass jeder Hersteller vier Motorräder im Feld hat. Das war ursprünglich die Idee der Dorna. Doch das bis jetzt hat leider nicht geklappt, und so hat sich Ducati seinen Anteil gesichert", stellt Aprilia-Pilot Aleix Espargaro fest.

"Ich frage mich nur, warum sie in der Meisterschaft nicht die ersten drei Plätze belegen, weil das Motorrad wirklich stark ist", grübelt Espargaro. "Die Ducati ist das stärkste Bike in der Meisterschaft, da stimmen mir denke ich alle zu. Alle Ducati-Piloten sind sehr schnell."

Yamaha und Honda geben sich gelassen

Yamaha-Crewchief Ramon Forcada macht sich dagegen deutlich weniger Sorgen und sieht die Situation gelassen. "Klar, es kann schon einen Einfluss auf die Meisterschaft haben. Aber von den vielen Ducatis kann immer nur eine gewinnen."

"Am Ende wird es einen Weltmeister geben - das kann ein Ducati-Pilot sein, oder ein Fahrer eines anderen Herstellers. In der vergangenen Saison war Ducati stark, es gab sechs Ducati-Piloten. Doch der Champion saß auf einer Yamaha", so der erfahrene Crewchief weiter.

Und auch Honda-Teammanager Alberto Puig versucht, die Situation zu beruhigen: "Ducati hat ein Motorrad, von dem jeder behauptet, dass es fantastisch ist. Doch sie haben seit Stoner keine Meisterschaft gewonnen. Und das ist lange her - 14 Jahre, um genau zu sein."

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