Schwere Redding-Kritik: Andere Fahrer wachen erst nach einem Todesfall auf

11. Jan.
Aragon 2021: Garrett Gerloff torpediert Weltmeister Jonathan Rea.

Foto: Motorsport Images

WSBK-Star Scott Redding macht sich Gedanken über das Thema Sicherheit und beklagt, dass einige Superbike-Piloten erst nach einem schweren Zwischenfall umdenken.

In der WSBK-Saison 2021 war Scott Redding meist der Fahrer, der sich am kritischsten zum Thema Sicherheit äußerte. Als die Superbike-WM im vergangenen August ins tschechische Most reiste, nahm der Brite kein Blatt vor den Mund und äußerte zu den Auslaufzonen im Autodrom Most seine Bedenken.

Bereits zuvor hatte Redding dort mit einer Serien-Maschine getestet, und befand den Kurs daraufhin als nicht sicher für die rund 240 PS-starken WM-Superbikes. Zudem beklagte er immer wieder die aggressive Fahrweise einiger Kollegen, allen voran Yamaha-Pilot Toprak Razgatlioglu. Nachdem sich der spätere Weltmeister in der vorletzten Kurve von Lauf eins aggressiv an Redding vorbeigedrückt hatte, gab es im Parc Ferme prompt einige hitzige Wort-Duelle zwischen beiden.

Respekt unter Fahrern nicht mehr so ausgeprägt

Gibt es unter den Piloten noch den Respekt, den es vor zehn Jahren gab? "Nein, es ist anders. Es ist völlig anders", stellt Redding klar. "Heute attackieren die Fahrer ab der ersten Kurve, wie im Fall von Alex Lowes in Barcelona. Er hatte Glück, denn hinter ihm kamen 15 weitere Fahrer, die ihm ausweichen konnten", erinnert sich der Brite an das WSBK-Event im September.

"Viele Fahrer kämpfen um ihre Karrieren", ist sich Redding bewusst. "Doch wieviel ist eine Karriere wert, und wie sehr respektiert man seine Gegner? Genau deshalb war ich in Most so sauer. Ich hatte nicht das Gefühl, dass es der richtige Kurs ist, um so gegeneinander zu fahren. Danach musste ich mir sehr viel Mist anhören. Aber das ist mir egal, es kümmert mich nicht."

"Wenn etwas passiert wäre, dann hätten alle kritisiert: 'Oh ja, es war zu hart. Sie hätten etwas unternehmen müssen.' Doch es passierte nichts. Ich versuche aber immer, beide Seiten zu sehen. Was ist, wenn etwas passiert - und was ist, wenn nichts passiert?", begründet Redding seine Haltung.

WSBK-Fahrerlager steht in Jerez unter Schock

Wie schnell es zu einem tragischen Unglück kommen kann, wurde wenig später beim WSBK-Event in Jerez deutlich. Im ersten Rennen der Supersport-300-WM kam es zu einem Zwischenfall, bei dem Dean Berta Vinales sein Leben verlor. Das Fahrerlager der Superbike-WM stand unter Schock.

"Was wäre, wenn er sich nur verletzt hätte? Niemand hätte etwas gesagt, niemand hätte sich irgendwelche Gedanken gemacht", glaubt Redding, der bei seinen Kollegen Änderungen im Fahrstil bemerkte. Nach der Absage des ersten Laufs am Samstag wurden am Sonntag zwei Hauptrennen gestartet.

"Die Rennen waren viel ruhiger, die Überholmanöver etwas weniger aggressiv als sonst", stellt Redding fest. "Ich habe das Gefühl, dass es eine Art Realitäts-Schock für die Leute im Fahrerlager war. Es ist einfach nur traurig, dass so eine schlimme Sache nötig ist, damit alle aufwachen."

Redding hinterfragt Risiken, die einige Piloten eingehen

"Und das war es, was ich in Most sagte: Es war nicht sicher. Dafür kassierte ich dann eine Menge böser Kommentare. Doch was wäre passiert, wenn es einen Zwischenfall gegeben hätte?", fragt sich der damalige Ducati-Werkspilot. Und fordert: "Wir sollten diese Risiken nicht in Kauf nehmen. Doch genau das tun wir und bestreiten Rennen. Wenn ich bezahlt werden will, dann muss ich fahren. Das ist mein Job."

Im Rahmen des Renn-Wochenendes in Most gab es am Freitag ein Treffen, bei dem über das Thema Sicherheit gesprochen wurde. Laut Insidern wurde dabei vereinbart, die Situation im Fall eines Regen-Rennens neu zu bewerten. Abgesehen davon blieb Sportdirektor Gregorio Lavilla aber strikt auf Kurs und ließ keine Absage zu.

In Jerez aber, nach dem Tod von Dean Berta Vinales, zeigte der Dorna-Sportdirektor dann eine andere Seite. "Es war das erste Mal, dass ich seine menschliche Seite sah. Es hat ihn hart getroffen", erkennt Redding. "Ich habe Respekt vor ihm. In Most zeigte er diese Seite nicht. Damals gab es ein Meeting und er meinte, dass wir 'unser eigenes Tempo fahren' und 'selbst entscheiden sollen, wie schnell wir fahren'."

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