Thomas Muster: „Besser kann man nicht in die French Open gehen“

8. Juni
Crowd, Audience, Human

Thomas Muster mit Pokal (AUT)

Wir schreiben das Jahr 1995: Mexiko, Estoril, Barcelona, Monte Carlo und Rom. Bei allen fünf Sandturnieren, die Thomas Muster in diesem Jahr bestritten hat, wurde der Österreicher als stolzer Triumphator umjubelt. In Rom katapultierte sich der Steirer mit dem 28. Turniersieg seiner Karriere - 3:6, 7:6, 6:2, 6:3 gegen den zweifachen Paris-Sieger Sergi Bruguera (Spanien) - erstmals in seiner Karriere auf Rang fünf der Weltrangliste. Angesichts seiner konstanten Spitzenleistungen auf seinem Lieblingsbelag (28 Siege en suite) galt er allgemein als erster Sieg-Anwärter für das bevorstehende Grand Slam-Turnier in Paris. Auch wenn Thomas Muster selbst dies gar nicht gerne hörte.

Doch an einem kommt auch der Steirer nicht vorbei. "Heuer auf Sand ungeschlagen, besser kann man nicht in die French Open gehen", sagte Muster vor den French Open. Er wollte sich aber dadurch nicht belasten und schob den Druck von sich. "Ich sehe mich nicht als Favorit und fahre ganz locker nach Paris. Ich kann in der ersten Runde rausfliegen, aber auch gewinnen. Wenn's funktioniert, dann funktioniert's. Wenn nicht, dann habe ich auch kein Problem damit." Als Nummer fünf der Weltrangliste war ihm ein gutes Los sicher. Die Chancen auf den ersten österreichischen Sieg bei einem Grand Slam-Turnier standen jedenfalls so gut wie noch nie.

Muster, in Roland Garros schon 1990 im Semifinale (nach seinem ersten Rom-Sieg), bereitete sich in aller Ruhe in Monte Carlo auf sein großes Ziel vor. Neben dem täglichen Training bot sich auch eine willkommene Ablenkung. Der große Motorsport-Fan ließ sich vor dem Abflug in die Seine-Metropole das eine oder andere Training der Formel-1-Stars nicht entgehen.

French Open: Für Muster war Titelverteidiger Bruguera Favorit

In Rom verglich Thomas Muster Tennis mit einem Boxkampf, bei dem ja auch der Wille, die Ausdauer und die Kampfkraft entscheidende Elemente sind. Bruguera weiß davon ein Lied zu singen. Der Spanier begann im Rom-Finale sehr stark, doch das größere Stehvermögen hatte wieder einmal der Österreicher. Der dann - wie in den Runden zuvor - "unglaubliches Tennis" (O-Ton Muster) präsentierte und den Spanier damit regelrecht "zerdrückte." Nach dem Gewinn des zweiten Satzes war er sich sicher, das Match im Griff zu haben.

Doch auch Bruguera kehrte Rom trotz der Finalniederlage zufrieden den Rücken. "Jetzt bin ich im Hinblick auf Paris zuversichtlicher als vor Beginn dieser Woche. Daran, daß Muster bis jetzt der beste Saisonspieler auf Sand ist, gibt es keinen Zweifel", bemerkte der Spanier. Der fügte dem allerdings eine gewisse Einschränkung hinzu: "Muster gewinnt meist immer auf langsameren Plätzen. Ich bin hingegen besser auf schnelleren wie in Paris, wo ich ja schon zweimal gewonnen habe." Muster drängte Sergi für Roland Garros in die Rolle des Favoriten: "Wenn einer die French Open zweimal in Folge gewonnen hat, ist er die Nummer eins auf Sand."

McEnroe: "Thomas Muster gewinnt nicht die French Open"

Vielleicht machte damals auch die Prognose des großen John McEnroe, der als TV-Kommentator bei den French Open arbeitete, Thomas Muster für das zweite Grand Slam-Turnier des Jahres noch zusätzlich heiß. "Für mich gewinnt Muster nicht die French Open. Denn ich habe ihn nie bei einem der großen Bewerbe etwas Besonderes tun gesehen. Er erstickt bei den Grand Slams." Also sprach John McEnroe, der übrigens nie in Paris gewonnen hatte.

Muster würde bei diesen Turnieren nie sein Potential ausspielen, meinte McEnroe, der in seiner Laufbahn nie in einem Turnier auf den Österreicher getroffen war. "Er muß mich erst vom Gegenteil überzeugen." Die fünf Turniersiege dieses Jahres und die 28:0-Bilanz auf Sand spielten bei der Beurteilung durch den Amerikaner offenbar kaum eine Rolle. In Grand Slam-Turnieren hat der Steirer bisher zwei Halbfinali (Melbourne 1989 und Paris 90) in seiner Bilanz.

Thomas Muster gewinnt die French Open

11. Juni 1995, 17.22 Uhr MESZ: Diese Zahlen werden in der österreichischen Sportgeschichte einen Platz ganz oben finden. Thomas Muster krönt an diesem historischen Tag seine großartige Karriere mit einem 7:5, 6:2, 6:4-Erfolg über den als Nummer sechs gesetzten Michael Chang im Endspiel der French Open. Als erster Österreicher in der Geschichte des Tennis-Sports gewinnt er ein Grand Slam-Turnier. Mit dem 29. Turniersieg seiner Karriere rückt der 27-jährige Steirer in der Weltrangliste vom fünften erstmals auf Rang drei - hinter Andre Agassi und Pete Sampras - vor. Boris Becker verdrängte er auf Platz vier. Keiner hat diesen Triumph in diesem Jahr so verdient wie Muster, der schon vor Paris die Sandplatz-Saison mit Siegen in Mexiko, Estoril, Barcelona, Monte Carlo und Rom klar dominiert hatte und 35 Spiele auf Sand ungeschlagen ist.

"Sport und Talk": 25 Jahre Muster-Triumph in Paris

Thomas Muster blickt bei "Sport und Talk aus dem Hangar-7" bei Moderator Christian Nehiba auf diesen historischen Erfolg von Roland Garros zurück. Und das gemeinsam mit Edelfan Viktor Gernot, Jürgen Melzer und der aus London zugeschaltete Boris Becker. Im Hangar-7 taucht der Leibnitzer nochmals in seine Gefühlswelt von damals ein und erinnert sich an die Schlüsselszenen des Turniers. Wie erlebte Kabarettist Viktor Gernot, selbst begeisterter Tennisspieler, diesen historischen Moment? Welchen Ansporn bildete er für Jürgen Melzer, seinerzeit hoffnungsvolles Nachwuchstalent? Und was ging in Boris Becker vor, nur wenige Wochen nach seiner niederschmetterndsten Niederlage gegen den Rivalen? (APA/red.)

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