Vertrags-Poker in der WSBK 2020: Hat Sandro Cortese sich verzockt?

10. Feb.
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Weil er nicht mit 2019er-Material fahren will, hat Sandro Cortese GRT-Yamaha abgesagt. Zwei WSBK-Insider erklären, warum er ihrer Meinung nach richtig gehandelt hat.

Sandro Cortese sucht weiter nach einem Platz für die Superbike-WM 2020. Nach nur einem Jahr trennten sich die Wege von Cortese und GRT-Yamaha, weil ihm das Team kein 2020er-Bike bereitstellen konnte. Dann waren sich Cortese und Ten Kate einig, doch Probleme mit dem Sponsor ruinierten dieses Vorhaben.

Hat der Deutsche womöglich zu hoch gepokert? "Natürlich muss man schauen, dass man das Beste für sich herausholt", stellt Max Neukirchner, der erfolgreichste Deutsche in der Geschichte der Superbike-WM, klar. "Sandro hat schon alles richtig gemacht. Ich vermute, dass er nicht damit gerechnet hat, dass er dann gar nichts mehr finden konnte. Es ist sehr schwierig."

"Ich hätte vermutlich genauso verhandelt wie er und auf die neue Maschine gepocht", grübelt Neukirchner. Doch wie viel besser ist die 2020er-Yamaha im Vergleich zum Vorjahres-Bike?

Neukirchner: "Cortese wollte Rennen gewinnen"

"Es ist ein neues Modell. Die Einschätzung ist schwierig. Ich weiß nicht, wie groß der Unterschied zwischen der 2019er- und der 2020er-Maschine ist. Vielleicht sind es sogar fünf bis sechs PS. Das wäre in der Superbike-WM ein beträchtlicher Unterschied", bemerkt Neukirchner.

Corteses Kritiker behaupten, der Berkheimer hätte konservativer verhandeln sollen, um sicher in der Meisterschaft zu bleiben. "Was will man dann in der Superbike-WM? Es ist ja nicht das Ziel, zwischen Platz 10 und 15 herumzufahren", kontert Neukirchner.

"Sandro wollte in der Superbike-WM gewinnen. Und das kann man nur, wenn man richtig gutes Material hat", stellt Neukirchner klar. "Nur mitfahren? Als Deutscher ist man dann ganz schnell unten durch. Nach wenigen Rennen hat man den Spott auf seiner Seite. Die Leute denken dann, dass es am Fahrer liegt, der kein Gas gibt."

Auch Stefan Nebel stärkt Cortese den Rücken

ServusTV-Experte und Ex-Racer Stefan Nebel vertritt eine ähnliche Meinung und stuft die GRT-Absage als richtig ein: "Ich würde unterstreichen, dass sich ein Sandro Cortese das rausnehmen darf. Nicht aus Hochnäsigkeit, sondern aus der Ambition, Rennen zu gewinnen. Er weiß, dass er Rennen gewinnen kann. Er ist ein zweifacher Weltmeister. Das darf man nicht unterschätzen. Wenn er antritt, dann will er gewinnen."

Doch wie geht es für Cortese weiter? Bei den Winter-Tests übernahm er bei Barni-Ducati die Panigale von Leon Camier. Doch Camier dürfte nach der Verletzungspause wieder fit genug sein, um beim Saison-Auftakt zu starten. Bei Pedercini-Kawasaki gibt es noch einen freien Platz. Doch die Finanzierung und das Material dürften nur bedingt Corteses Vorstellungen entsprechen.

"Ich glaube, es ist besser für ihn, einzelne Events zu fahren. Und sich so wieder auf dem richtigen Material zu beweisen", lautet der Rat von Stefan Nebel. "Natürlich hoffe ich, dass sich kein anderer Fahrer verletzt. Aber wir leben im Renn-Sport, und die Chance wird sich irgendwann bieten. Und dann wird man hoffentlich auf ihn zurückgreifen."

Pedercini-Chance für Cortese eine Sackgasse?

Den Platz bei Pedercini-Kawasaki sieht Nebel als wenig reizvoll an: "Das Rennen ist genau so schwer. Aber man weiß schon vorher, dass man nicht um den Sieg mitfahren kann. Die Motivation aufrechtzuerhalten, ist dann schwieriger. Besonders wenn es nicht so gut läuft. Ich glaube, dass er voll und ganz dahinter steht, wenn er die Entscheidung trifft. Er wird aber sicher länger überlegen."

Laut Nebel sollte Cortese abwarten, bis sich in einem renommierten Team etwas anbietet. "Wenn man frei ist, kann etwas Großes auf Dich warten. Wenn man von vornherein sagt, dass man dieses Programm macht, um dabei zu sein, dann wird in dem Jahr auch nichts anderes Großes mehr passieren. Und wohin soll es dann hingehen?"

"Ich würde auf den richtigen Moment warten und dann alles geben. Ich glaube an Sandro. Und ich glaube an seine Art, wie er Motorrad fährt, wenn er sich wohl fühlt und das richtige Material hat. An seiner Stelle würde ich lieber abwarten", rät der ServusTV-Experte.

Die WSBK-Saison 2020 beginnt am letzten Februar-Wochenende in Australien. Das erste Rennen des Jahres steigt am 29. Februar.

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