„Wollte Mir holen“: Suppo prangert Honda-Versäumnisse an

8. Dez.
Livio Suppo war bis Ende 2017 Teamchef des Honda-Werksteams

Foto: GP-Fever.de

Ex-Teamchef Livio Suppo kritisiert Honda für gleich mehrere Fehler bei der Fahrerwahl: Mit Joan Mir, Jack Miller und Franco Morbidelli ließ man drei Talente einfach so ziehen.

In Abwesenheit des verletzten Marc Marquez hat Honda keines der 14 Rennen der MotoGP-Saison 2020 gewonnen. Erstmals seit der Rückkehr in die Königsklasse 1982 blieb der japanische Motorrad-Gigant damit in einer Saison sieglos. Hat man sich also zu sehr auf Marc Marquez verlassen - und stattdessen zu wenig auf den Nachwuchs gesetzt?

Bruder Alex Marquez steuerte immerhin zwei zweite Plätze bei und hätte mit etwas Glück in Le Mans und Aragon 1 auch gewinnen können. Takaaki Nakagami eroberte in Aragon 2 die Pole-Position, hatte dort zumindest theoretisch gute Chancen auf ein Top-Ergebnis.

Auch in Spielberg 2 war der Japaner bis zum Renn-Abbruch auf Kurs zu einem Podestplatz. Aber selbst wenn Alex Marquez mit besseren Startplätzen eines dieser beiden Rennen gewonnen und auch Nakagami einen Podestplatz beigesteuert hätte, wäre es für Honda ein enttäuschendes Jahr gewesen.

Kein zwingendes Angebot: Mir wählt Suzuki statt Honda

Livio Suppo glaubt, dass es das Honda-Management verschlafen hat, im Schatten von Marc Marquez junge Fahrer aufzubauen. Suppo wechselte 2010 von Ducati zu Honda. Erst war er dort Marketing-Direktor, übernahm dann ab 2013 die Rolle des Teamchefs.

Bei 'GPOne.com' verrät der Italiener spannende Details: "Als ich noch bei Honda war, habe ich mit Mir gesprochen. Weil Nakamoto und ich dachten, dass er der Erbe von Dani Pedrosa sein könnte." 2017 dominierte Joan Mir die Moto3-Klasse und wurde souverän Weltmeister.

Im November 2017 gab Suppo beim Valencia-Test seinen Abschied von Honda bekannt. Kurz darauf wurde Alberto Puig als sein Nachfolger vorgestellt. "Soweit ich weiß, hat Puig, nachdem ich weg war, zu Mir gesagt, dass er für Honda unterschreiben kann. Allerdings ohne Garantie für welches Team."

"Joan wollte aber in ein Werksteam. Und hat deshalb Suzuki gegenüber einem Honda-Satellitenteam bevorzugt. Wenn sie Mir statt Lorenzo genommen hätten, hätten sie um den WM-Titel gekämpft und damit gleichzeitig ihre Zukunft gesichert", ist Suppo überzeugt.

Honda-Zukunft: Alex Marquez nur Notlösung?

Im Winter 2017/18 interessierte sich dann auch Suzuki für Mir. Am 11. Juni 2018 gaben die Japaner schließlich bekannt, dass man 2019/20 auf Mir setzt. Inzwischen wurde der Vertrag des aktuellen Weltmeisters bis Ende 2022 verlängert. Und Honda wiederum verkündete am 6. Juli 2018, dass man Jorge Lorenzo für 2019/20 unter Vertrag genommen hat.

Damit setzten die Japaner zwar auf einen dreimaligen MotoGP-Weltmeister, die Zusammenarbeit war aber alles andere als von Erfolg gekrönt. Nach nur einem Jahr trat Lorenzo zurück. Honda musste kurzfristig Ersatz finden und setzte auf den damals frischgebackenen Moto2-Weltmeister Alex Marquez.

"Was die Zukunft angeht, versuchen sie es mit Alex Marquez. Aber das ist nur passiert, weil Jorge zurückgetreten ist", benennt Suppo die Fakten. Neben Marc Marquez soll ab dem nächsten Jahr Pol Espargaro für das Honda-Werksteam um Siege kämpfen.

Honda setzte auch nicht auf Morbidelli und Miller

Eine weitere Entscheidung, die Suppo verwundert: "Die Wahl von Espargaro sieht für mich nicht nach Puig aus. Er war jemand, der so wie Nakamoto und ich die Beförderung von Miller von der Moto3 in die MotoGP unterstützt hat."

Aber das "Projekt Miller" gab Honda dann nach drei Jahren auf - das war Ende 2017. Seither hat sich der Australier in der Ducati-Familie etabliert und sich bis ins Werksteam nach oben gearbeitet. Daneben gibt aber noch einen dritten Namen, den Honda fallengelassen hat.

"Dann gab es noch den Fehler mit Morbidelli", redet Suppo Klartext. "Ich habe ihn damals zu Marc VDS gebracht. Aber die Japaner haben nie an sein Potenzial geglaubt." 2018 fuhr "Franky" eine Kunden-Honda im Satellitenteam, im Jahr darauf verabschiedete er sich dann zu Petronas-Yamaha.

Seine weitere Laufbahn ist bekannt: 2020 gewann Morbidelli drei Rennen und wurde am Ende Vize-Weltmeister. Laut Suppo hatte Honda also die Chance, mit Mir, Miller und Morbidelli drei junge und vielversprechende Piloten im Schatten von Marc Marquez aufzubauen. Und gab all diese Trümpfe scheinbar mehr oder weniger freiwillig aus der Hand...

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