Marc Marquez grübelt: „Sobald ich es versuche, stürze ich“

16. Sept.
Marc Marquez kommt fünf Rennen vor dem Saison-Ende auf 18 Stürze.

Foto: Motorsport Images

Honda-Star Marc Marquez erklärt seine hohe Sturzquote in der laufenden MotoGP-Saison - und erklärt was es braucht, um wieder um Titel zu kämpfen.

Mit 18 Crashes führt Marc Marquez die Sturz-Statistik in der MotoGP derzeit klar an. Und das, obwohl er die ersten beiden Grands Prix der Saison sogar verpasste. Auch am letzten Renn-Wochenende in Aragon ging der Honda-Pilot zweimal zu Boden. Seine Saves, für die er früher bekannt war, sind dagegen selten geworden.

"Es stimmt, dass es viele Stürze gegeben hat. Die Hälfte davon hätte ich vor zwei Jahren abgefangen", sagt Marquez. "Aber Saves gibt es in meinem Wörterbuch aktuell nicht. Beim FP3 in Aragon hatte ich einen Sturz, den ich früher ganz sicher gerettet hätte."

Doch seit der Rückkehr nach seiner Armverletzung, die er sich beim Saison-Auftakt 2020 zugezogen hatte, ist Marquez nach wie vor nicht der Alte. Noch immer fehlt ihm die volle Kraft in der rechten Schulter, entsprechend muss er seine Fahrweise auf der Honda anpassen. Er ist augenscheinlich nicht mehr in der Lage, Vorderrad-Rutscher so abzufangen, wie er das davor allzu oft tat.

Marquez: "Im Moment fehlt das gewisse Extra"

"Früher habe ich den Vorderreifen extrem hart rangenommen. Ich habe mit dem Limit gespielt und die Ellenbogen benutzt, um Rutscher auszugleichen. Im Moment kann ich das aber nicht. Sobald das Motorrad etwas unruhiger wird, kann ich kaum etwas dagegen tun und steige ab. Das ist der Grund, warum wir dieses Jahr so viele Stürze haben."

"In der Vergangenheit konnte ich sie abfangen. Aber wenn das Vorderrad jetzt wegrutscht, kann ich es nicht halten und stürze. Dieses gewisse Extra, das ich 2016, 17, 18 oder 19 hatte, fehlt im Moment", erklärt der sechsfache MotoGP-Champion.

"Diese Saison ist die vielleicht schwierigste in meiner gesamten Karriere, körperlich wie mental", gibt Marquez zu. "Wir sind damals mit nur wenigen Erwartungen nach Portimao gekommen. Offen gesagt habe ich aber schon erwartet, dass meine körperliche Verfassung sich schneller verbessern würde, als das der Fall war."

Auch seine Honda macht ihm Probleme

Dabei ist es aber nicht nur die Physis allein, erklärt der Ex-Weltmeister. "Daneben arbeiten wir am Motorrad, denn alle Honda-Fahrer haben damit zu kämpfen. Auf einer Strecke wie Aragon, wo Nakagami und mein Bruder im Vorjahr stark waren, hatten sie dieses Mal Probleme. Die anderen Hersteller haben bei ihrer Pace einen Schritt nach vorne gemacht, während wir die Rundenzeiten von damals fahren."

Es gibt also mehrere Baustellen. Und während sich Honda bei der Entwicklung treu bleibt und sich weiter auf Marquez konzentriert, arbeitet der einstige MotoGP-Dominator daran, irgendwann wieder ganz der Alte zu werden. "Natürlich gibt es Zweifel", räumt der Spanier allerdings ein.

"Im Moment kann ich nicht so fahren, wie ich will. Sobald ich es versuche, stürze ich. Ich muss darüber nachdenken, wie ich anders fahre. Denn im Moment fahre ich nicht natürlich. Das Ziel ist, einen Weg zu finden, konkurrenzfähig zu sein und um Titel zu kämpfen."

Dieses Ziel erreiche er vielleicht nicht mit demselben Fahrstil. "Aber auf eine andere Art und Weise zu fahren, heißt ja nicht zwingend, langsam zu sein", betont der Honda-Pilot. "Und wie gesagt, wir arbeiten weiter am Motorrad. Wenn ich mich ein wenig verbessere, und auch das Motorrad Fortschritte mache, sind wir wieder ganz vorne dabei."

Lorenzo glaubt an "alten" Marquez

Daran glaubt auch sein einstiger Teamkollege Jorge Lorenzo, der in Aragon zum ersten Mal seit seinem Rücktritt das MotoGP-Paddock besuchte. Dabei sprach er mit 'MotoGP.com' auch über Marquez, dessen Verletzung und die aktuelle Form seines Landsmanns.

"Marc hat etwas Besonderes. Er ist der Schnellste, der körperlich und technisch Stärkste und auch der Fahrer, der am meisten riskiert. Und das war schon immer so", hält Lorenzo fest. "Normalerweise ist es umgekehrt: Wer an der Spitze steht, geht nicht so viele Risiken ein wie die Fahrer, die weiter hinten liegen."

Marc sei in diesem Punkt anders. "Und deshalb hatte er immer wieder große und spektakuläre Stürze. Wie den in Mugello 2013 oder seine Abflüge in der Moto2. Meistens hatte er sehr viel Glück mit Verletzungen. Aber letztes Jahr in Jerez ist es dann mal nicht gut ausgegangen", blickt der Spanier auf Marquez' Sturz-Historie zurück.

"Der Sturz hat seine Karriere verändert"

"Danach haben alle erwartet, dass er etwas ruhiger wird. Aber das ist nicht passiert, er riskiert nach wie vor viel. Das überrascht mich, denn auch ich hatte erwartet, dass er konservativer fährt. Aber er gibt immer Vollgas und geht weiterhin ein hohes Risiko ein."

"Ich glaube, ohne diesen Crash wäre er 2020 und 2021 Weltmeister geworden", ist Lorenzo überzeugt. "Aber dieser Sturz hat seine Karriere verändert - zumindest für diese zwei Jahre. Mal sehen, was in der Zukunft passiert. Ich denke, dass er seine Form Schritt für Schritt wiedererlangen wird", so der Spanier.

"Die Verletzung war sehr schlecht für ihn und seine Karriere. Aber er ist technisch, körperlich und mental der Beste. Und er geht mehr Risiko ein", unterstreicht Marquez' früherer Honda-Teamkollege erneut. "Ein Fahrer wie er ist extrem schwer zu schlagen."

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