Vinales und Yamaha: Das sagen die MotoGP-Kollegen

13. Aug.

Foto: Motorsport Images

Das Verhältnis Maverick Vinales und Yamaha scheint endgültig zerrüttet: Anzeichen, dass er in Spielberg den Motor überdrehen wollte. Rossi wollte selber hinschmeißen.

Am Tag vor Trainingsbeginn für den Grand Prix von Österreich in Spielberg, dem zweiten Spielberg-Wochenende im MotoGP-Kalender 2021, sorgte Yamaha für den größten Aufreger. Wie der Hersteller am Donnerstagmittag mitteilte, hat man das Motorrad von Maverick Vinales aus der Meldeliste zurückgezogen. Der Spanier, dessen Yamaha-Vertrag ohnehin ein Jahr vorzeitig aufgelöst wird, tritt somit an diesem Wochenende nicht an. Ob er am nächsten Rennwochenende (27. bis 29. August in Silverstone) wieder fahren wird, ist derzeit völlig offen.

Als Grund für den Rückzug von Vinales' Bike für den Österreich-Grand-Prix nannte Yamaha, dass es am vergangenen Wochenende beim Steiermark-Grand-Prix an gleicher Stelle einen "unerklärlichen, unregelmäßigen Betrieb des Motorrads" durch den Fahrer gab.

Yamaha geht davon aus, dass Vinales den Motor überdrehen wollte

Wie 'Motorsport-Total.com' von Personen erfahren hat, die mit dem Fall vertraut sind, trug sich am vergangenen Sonntag in Spielberg folgende Situation zu: Nach dem Rennabbruch aufgrund des Feuerunfalls zwischen Dani Pedrosa und Lorenzo Savadori fuhr Vinales wie alle anderen auf der Strecke befindlichen MotoGP-Piloten an die Box. Er gab dem Team zu verstehen, dass der Motor einwandfrei funktioniere und daher nicht angerührt werden solle. Die Mechaniker aber wechselten die Kupplung und schlossen einen Computer an.

In der Startaufstellung für den Neustart starb der Motor, der somit also doch angerührt wurde, ab. Vinales konnte die Aufwärmrunde nicht wie geplant fahren. Stattdessen wurde das Bike in die Boxengasse geschoben, von wo aus der Spanier dem Feld beim Rennstart hinterherfuhr. Das Rennen beendete er zwar von der Distanz her, fuhr aber nicht über die Ziellinie.

Stattdessen kam Vinales in der letzten Runde in die Boxengasse. Wie 'Motorsport-Total.com' von mit dem Fall vertrauten Quellen erfahren hat, behauptet Yamaha, dass Vinales versuchte, den Motor zu überdrehen. Denn: Obwohl die MotoGP-Bikes über einen Drehzahlbegrenzer verfügen, der ein unabsichtliches Überdrehen des Motors verhindert, ist laut Auskunft eines Technikers ein absichtliches Überdrehen trotzdem möglich.

Bei Yamaha behauptet man laut Quelle, dass dieser Fall vorlag und stützt sich dabei auf die Telemetriedaten vom Sonntag. Und: Ein am Donnerstagabend auf der offiziellen MotoGP-Website veröffentlichtes Onboard-Video von Vinales' Fahrt in die Boxengasse entkräftet diese These nicht.

Teamkollege Fabio Quartararo gibt sich zurückhaltend

Als Vinales' Fahrerkollegen am Donnerstag auf die Situation angesprochen wurden, reagieren sie teils zurückhaltend, teils mit Verständnis, teils mit Unverständnis und teils mit der einen oder anderen Andeutung.

Vinales' Yamaha-Teamkollege Fabio Quartararo meint: "Ich kann nicht viel dazu sagen. Sonderlich überrascht bin ich aber nicht." Es falle ihm "schwer, irgendwas zu sagen" und er verweist für weitere Auskünfte auf Yamaha.

Der Hersteller aber hat wissen lassen, sich zumindest am Donnerstag nicht mehr offiziell zu äußern. Und auch von Vinales selbst wird es wohl so schnell keine offizielle Stellungnahme geben. Es sei denn, er meldet sich aus eigenem Antrieb heraus auf Instagram. Seinen Twitter-Account hat er schon im April gelöscht.

Teamkollege Quartararo, der somit an diesem Wochenende der einzige Yamaha-Werkspilot ist, merkt lediglich noch an. "Für mich ist es kein Problem, allein zu fahren. Für mein Wochenende ändert sich dadurch überhaupt nichts."

Valentino Rossi erinnert sich, wie er selber schon hinschmeißen wollte

Valentino Rossi, der in den Jahren 2017 bis 2020 im Yamaha-Werksteam der Teamkollege von Vinales war, sagt: "Ich bin sehr traurig über die Situation, und das für beide Seiten. Maverick ist mein Freund, er ist ein guter Kerl. Und Yamaha ist mein Team, schon seit langer Zeit. Es ist schade - schade für die Weltmeisterschaft und schade, dass wir Maverick mit der Yamaha nicht auf der Strecke haben."

"Ich denke trotzdem", so Rossi weiter, "dass sie die Situation irgendwie lösen können. Denn Maverick ist schnell, das Motorrad ist schnell. Ich hoffe also, dass sie sich aussprechen und zu einer Einigung kommen, damit wir Maverick beim nächsten Rennen wieder auf der Strecke sehen."

In gewisser Weise kann sich Rossi in die Situation hineinversetzen. Der Italiener führt Beispiele aus seiner eigenen Karriere an, ohne den jeweiligen Zeitpunkt zu verraten. "Drei-, viermal war ich wirklich verzweifelt, weil die Ergebnisse nicht stimmten und der Druck hoch war. Ich war aber nicht in der Lage, mich zu steigern und die Ergebnisse zu liefern, die ich und alle anderen erwarteten. Ich erinnere mich daran, dass ich aufhören und zu Hause bleiben wollte."

"Es gab viele Diskussionen mit meiner Entourage", erinnert sich Rossi und weiß heute: "Es ist gut, dass die Leute um mich herum, von 'Uccio' bis hin zu meiner Mutter, zu mir sagten: 'Nein, du kannst nicht aufhören. Du verstehst nicht, was das bedeuten würde. Wenn du aufhörst, wird die Situation noch schlimmer als jetzt.' Ich sagte: 'Schlimmer kann es nicht werden.'"

"Aber sie redeten auf mich ein und ich muss ihnen dafür danken. Denn sie hatten recht", so Rossi. Und weiter: "Nach ein paar Jahren habe ich verstanden, dass es alles nur schlimmer gemacht hätte, wenn ich hingeschmissen hätte. Insofern ist es wichtig, die richtigen Leute um sich herum zu haben."

Passt Vinales besser zu Aprilia? Was Aleix Espargaro dazu sagt

Was Vinales betrifft, so wird er für die MotoGP-Saison 2022 gerüchteweise mit einem Wechsel zu Aprilia in Verbindung gebracht. Aufgekommen waren diese Gerüchte erstmals Ende Juni in Assen. Es war jenes Wochenende, das montags mit der Yamaha-Mitteilung endete, wonach die Zusammenarbeit mit Vinales schon Ende 2021 anstatt (wie es im Vertrag vorgesehen war) Ende 2022 zu Ende geht.

Jetzt, nach der Spielberg-Episode, bleibt abzuwarten, ob Vinales und Yamaha überhaupt noch weiter zusammenarbeiten werden. Aleix Espargaro, der seit Jahren für Aprilia fährt und dort 2022 Vinales' Teamkollege wäre, sollte der Spanier tatsächlich beim italienischen Hersteller andocken, wurde ebenfalls um seine Meinung gefragt.

"Auf einer persönlichen Ebene tut es mir sehr leid für Maverick", so Espargaro. "Ich kenne ihn schon lange und wir haben ein sehr, sehr gutes Verhältnis. Wir haben hier die vergangenen drei Tage lang auf dem Fahrrad trainiert und er wusste von nichts. Das Einzige, was ich sagen kann, ist, dass es mir sehr leidtut."

"War auch oft wütend und habe schlecht reagiert"

"Ich war in der Vergangenheit auch oft wütend und habe schlecht reagiert, als es Probleme gab", drückt sich Espargaro ähnlich aus wie Rossi. "Aber man muss verstehen, dass es ein Team ist. Wenn ich stürze, gibt man mir nicht die Schuld oder prügelt auf mich ein. Wenn der Motor den Geist aufgibt, ist das natürlich frustrierend, aber man muss zweimal darüber nachdenken und weise handeln. Ich sage nicht, dass das, was er getan ist, gut ist. Aber wenn die Emotionen hochkochen, kann alles passieren. Letzten Endes aber stehen hinter uns große Marken, bei Maverick Yamaha, bei mir Aprilia. Man muss sich clever verhalten."

Auf Nachfrage, ob Vinales bei Aprilia besser aufgehoben wäre als bei Yamaha, antwortet Espargaro: "Ich weiß noch nicht, wer mein Teamkollege sein wird. Es ist noch nichts entschieden. Und ich kenne natürlich auch die Umgebung bei Yamaha nicht. Daher ist das für mich schwer zu beurteilen."

"Was mich betrifft", so der 32-jährige Spanier in Aprilia-Diensten weiter, "werde ich langsam alt. Nächstes Jahr werde ich der älteste Fahrer in der Startaufstellung sein. Würde die Zeit keine Rolle spielen, würde ich 100 Jahre in diesem Team bleiben. Ich fühle mich extrem wohl, es ist wie meine zweite Familie. Das Einzige, was fehlt, ist, dass wir jedes Wochenende ums Podest kämpfen. Aber wir kommen dem näher. Die Atmosphäre hier ist fantastisch. Wie das bei Yamaha ist, kann ich nicht beurteilen."

Miller kritisiert Vinales hart

Der sechsmalige MotoGP-Weltmeister Marc Marquez, der seit Beginn seiner Karriere in der Königsklasse für Honda fährt, meint dazu: "Wir wissen natürlich, dass das Verhältnis zwischen Vinales und Yamaha seit ein paar Rennen kritisch ist. Was jetzt passiert ist, finde ich aber schon seltsam. Letzten Endes werden sie wohl wissen, was vorgefallen ist. Das sollten sie dann auch gut erklären. Mein Problem ist das jedenfalls nicht. Wir haben in unserer Box genügend eigene Probleme als dass wir darauf achten könnten, was andere machen."

Titelverteidiger Joan Mir sieht es ganz ähnlich und meint: "Ich kenne nicht die ganze Geschichte und es ist nicht meine Aufgabe, über jemanden zu urteilen. Es ist nicht mein Krieg und ich habe genug mit mir selbst zu tun." Der Suzuki-Pilot sagt aber auch: "Wir alle in dieser [MotoGP-]Welt waren nicht überrascht, dass so etwas passieren könnte. Ich bin aber ein wenig traurig, dass es dieses Extrem erreicht hat."

Derweil geht Ducati-Pilot Jack Miller hart mit Vinales ins Gericht. Auf Nachfrage, ob es für ihn akzeptabel sei, dass Vinales das Steiermark-Rennen in der Boxengasse anstatt auf der Start/Ziel-Gerade beendete, antwortet er: "Tut mir leid, das so zu sagen. Aber da wurde einfach nicht das getan, wofür man bezahlt wird, nämlich das Motorrad so gut man kann zu fahren. Da spielt keine Laune oder sonst etwas eine Rolle. Ich sage nicht, dass die eine oder die andere Seite im Recht ist. Letzten Endes müssen sie das unter sich ausmachen. Unterm Strich ist es aber so, dass wir für das Motorradfahren bezahlt werden. Punkt."

Indes stellt Pol Espargaro, der genau wie Bruder Aleix Espargaro gut mit Vinales befreundet ist, in Aussicht: "Ich habe es wie die meisten gerade erst erfahren. Ich muss erst mit ihm sprechen. Ich habe ein gutes Verhältnis zu Maverick. Später wird er mir das sicher erklären können, dann habe ich mehr Informationen dazu."

Ein Zeichen? Vinales Racing Team hat sich von Yamaha getrennt

Eine Entwicklung aus der Superbike-Szene, die möglicherweise bezeichnend ist: Das seit Saisonbeginn in der Supersport-300-Klasse antretende Vinales Racing Team arbeitet ab sofort nicht mehr mit Yamaha zusammen. Die Trennung wurde in dieser Woche bekanntgeben.

Aufgebaut wurde das Vinales Racing Team von Angel Vinales, dem Vater von Maverick Vinales. Einer der beiden Fahrer ist Dean Berta Vinales, 15-jähriger Neffe von Angel und einer der Cousins von Maverick. Der zweite Fahrer ist Kevin Sabatucci. Beide werden ab dem nächsten Einsatz nicht mehr auf einer Yamaha sitzen.

"Es ist offiziell: Das Vinales Racing Team wird nicht mit Yamaha weitermachen. Das Rookie-Team in der Supersport-300-Klasse hat einseitig beschlossen, den Vertrag mit Yamaha Racing zu beenden. Im Moment gibt es noch keine Bestätigung eines anderen Herstellers, also wird es Updates in den kommenden Wochen über Updates geben", so das Statement, wie es am Dienstag auf dem Facebook-Account des Vinales Racing Teams gepostet wurde.

Empfohlene Videos